Der Einzigartige
2008 gewann der Schwimmstar acht Mal Gold. Später geriet sein Leben aus der Bahn
Rio de Janeiro Auch nach 18 Mal Gold und insgesamt 22 Medaillen weckt Olympia bei Michael Phelps immer noch große Gefühle. „Ich hatte das größte Lächeln auf dem Gesicht, dass sie sich vorstellen können. Sogar ein paar Tränen habe ich vergossen“, gibt der US-Schwimmer bei der Pressekonferenz im Medienzentrum von Rio de Janeiro zu. Seine Sammlung ist einzigartig, er selbst ist fast übermannt von der Zuneigung, die ihm vor seinen fünften Spielen entgegenschlägt. Phelps darf bei der heutigen Eröffnungsfeier im Maracanã-Stadion die USFahne tragen. „Ein Traum wird wahr“, sagt der Seriensieger mit Pathos vor dieser Premiere.
Denn der 1,93 m lange Mann aus Baltimore mit der Armspannweite von 2,04 Metern und den „FlossenFüßen (Schuhgröße 48,5) hat noch nie beim Eröffnungsbrimborium im Zeichen der fünf Ringe mitgemacht. Das stundenlange Warten bis zum Einzug der Nationen wäre kontraproduktiv für seine sportlichen Ziele gewesen. Diesmal wollte er unbedingt dabei sein, auch wenn er möglicherweise bereits am Sonntag einen Staffel-Einsatz hat.
2000 in Sydney machte das 15-jährige Talent erste olympische Erfahrungen. 2004 in Athen war der Schmetterling-Spezialist bereits groß in Form (sechs Siege), perfekt waren jedoch erst die Spiele 2008 in Peking. Mit acht Goldmedaillen übertraf er den Rekord seines Landsmanns Mark Spitz (sieben), einem der Stars der Spiele 1972 in München. „Danach war ich mental am Ende, aber ich zwang mich weiterzumachen.“Noch ein paar Titel, noch ein paar Millionen US-Dollar. Auch auf der Abschiedstour 2012 in London zog Phelps erfolgreich seine Bahn: vier Mal Gold. Die Amerikaner liebten ihren Helden, der dem Schwimmen in den USA zuvor ungeahnte Popularität verschaffte. Doch so souverän wie sich der Schwimmer im Wasser präsentierte, so problematisch war sein Verhalten an Land. Mal tauchte ein Bild von ihm mit einem Joint in den Medien auf, dann kam heraus, dass er sich im Straßenverkehr alles andere als mustergültig verhielt. Den Höhepunkt auf der Irrfahrt seines Lebens erlebte Phelps Ende November 2014. Nach einem Casinobesuch stoppte ihn die Polizei in Baltimore. Er war fast doppelt so schnell wie erlaubt, der Alkoholgehalt in seinem Blut hätte ihm sogar eine Gefängnisstrafe einbringen können.
Um dieser zu entgehen entschloss sich Phelps zu einer Entziehungskur in der Wüste von Arizona. „Als er dort anfing, wirkte er wie ein verschüchterter kleiner Junge“, erinnert sich eine seiner Schwestern. Ohne Handy und Internetanschluss dachte er über seine Zukunft nach. „Ich habe viele Jahre in einer Luftblase gelebt“, gestand er sich ein und beschloss nach den 45 Tagen in der Abgeschiedenheit Abschied vom Schwimm-Ruhestand zu nehmen. Vorbei war die Zeit der Depressionen. Innerhalb weniger Monate erreichte der Rückkehrer mithilfe seines Trainers Bob Bowman sein früheres Leistungsniveau. Bei den US-Meisterschaften 2015 war Phelps sogar schneller als die Sieger bei der WM im russischen Kasan. Auf einmal lief alles nach Wunsch. Er versöhnte sich mit seiner langjährigen Freundin Nicole Johnson. Sie brachte in diesem Frühjahr den gemeinsamen Sohn Boomer auf die Welt. Den Fußabdruck des Kleinen hat er in seinem Sportschuh verewigen lassen. „Die vergangenen beiden Jahre waren die schönsten meines Lebens. Endlich kann ich es genießen“, sagt Phelps und strahlt. Zum Abschied will er in seinem fortgeschrittenen Alter von 31 noch ein paar Medaillen gewinnen. Ein Erinnerungsfoto mit Tennis-Star Novak Djokovic hat er im Athletendorf bereits gemacht. Olympia fasziniert ihn immer noch.