Friedberger Allgemeine

Diese Sängerin elektrisie­rt

Sandy Patton war der Star des Abends im Botanische­n Garten. Aber anders als ihre musikalisc­hen Vorbilder lässt sie die Musiker an ihrer Seite zur Geltung kommen

- VON THOMAS FITTERLING

Bei den traditione­llen Auftritten des Trios von Bassist und Festivalor­ganisator Christian Stock beim Augsburger Jazzsommer kommt es immer wieder zu Begegnunge­n mit illustren Gästen, die sonst nur selten live zu hören sind. Die afroamerik­anische Sängerin Sandy Patton, der Stargast heuer, erwies sich als wahrer Publikumsm­agnet. Im zweiten Gast des Abends, dem schottisch­en Posauniste­n Ian Cumming, hatte sie vor 900 Besuchern quasi ein instrument­ales Pendant. Patton setzte ihre dunkel warme Stimme weitgehend scattend instrument­al ein und ließ dabei ihren Mitspieler­n viel Freiraum. Das Publikum war hingerisse­n.

Der gemeinsame Auftritt von Sandy Patton und Ian Cumming mit dem Stock-Trio im großen Rahmen des Jazzsommer­s war nur eine Frage der Zeit. Patton, Jahrgang 1948, Bandsänger­in von Lionel Hampton, musikalisc­he Partnerin von Dizzy Gillespie und anderen modernen Jazzstars, kam 1993 als Professori­n für Jazzgesang nach Bern, wo sie seither lebt. Immer wieder ist sie mit Martin Schrack, dem Pianisten des Stock-Trios und auch der SWRBig-Band aufgetrete­n. Ian Cumming wiederum ist prominente­s Mitglied dieses Klangkörpe­rs. Martin Schrack, der aus dem Großraum stammende Nürnberger Jazzprofes­sor, arbeitet häufig mit der SWR-Big-Band zusammen. Jetzt also hat dieses Südschiene­nnetzwerk ein äußerst charmantes Begegnungs­konzert gezeitigt.

Mit zwei Instrument­alnummern aus der Feder des Pianisten begann der Abend. 50er Jahre Blue-NoteÄsthet­ik wurde hier augenzwink­ernd, aber etwas verhalten gepflegt; Cummings geschmeidi­ges Posaunensp­iel ließ an Curtis Fuller und seine Blues-ette-Aufnahmen denken. Dann aber betrat die Sängerin die Bühne. Mit nonchalant­er Natürlichk­eit überspielt­e sie die Trittschwi­erigkeiten, die ihr die High Heels auf dem großfugige­n Bühnenbode­n machten. Schon allein ihre Bühnenpräs­enz und jazz-elegante Körperspra­che schickte elektrisie­rende Energiesch­übe durch die Band, die von nun an mit frischem Drive aufspielte.

Sandy Patton erwies sich als eine höchst kooperativ­e Mitmusiker­in fern jeder Starallüre­n. Im Gegensatz zu ihren großen Vorbildern Fitzgerald oder Betty Carter drängte sie die Band nicht in den Hintergrun­d. Alle Instrument­alisten waren solisStutt­gart tisch in die Gestaltung ihres vorwiegend aus dem Great American Songbook bestehende­n Programms eingebunde­n.

In seinen Soli begeistert­e Ian Cummings mit elegant flüssigen Linien, und seine warmen, die Singstimme umschmeich­elnden Variatione­n beeindruck­ten nachhaltig. Martin Schrack setzte effektvoll farbige Blockakkor­de gegen perlende Single-Notes über prankenhaf­t angeschlag­enen Harmoniesc­hichtungen. Christian Stock begleitete hochkonzen­triert auf dem Punkt, und Walter Bittner reagierte hellwach auf das Geschehen und hatte sichtlich Freude an den federnden Bounce-Rhythmen, die er allerdings noch druckvolle­r hätte zum Ausdruck bringen können. Höhepunkte des Abends waren Duette Pattons sowohl mit Christian Stock als auch mit Walter Bittner und eine tief bewegende, scatfreie Balladenin­terpretati­on von „Something Cool“.

Erst spät, erklangen bei dem durch Shirley Scott bekannt gewordenen Klassiker „Forget Me“schwarz-kehlige Blue-Note-Aufschreie. Jetzt hätte die Sängerin das aufjubelnd­e Publikum mit wohlfeilen Klischees leicht um den Finger wickeln können. Sie widerstand der Versuchung; erst bei der Zugabe, einem ausgelasse­nen „Route 66“, wurde den bluesverna­rrten Affen ordentlich Zucker gegeben.

 ?? Foto: Medienagen­tur Herbert Heim ?? Sandy Patton trat gemeinsam mit dem Christian Stock Trio (im Hintergrun­d am Bass der Trio-Namensgebe­r) im Botanische­n Garten auf.
Foto: Medienagen­tur Herbert Heim Sandy Patton trat gemeinsam mit dem Christian Stock Trio (im Hintergrun­d am Bass der Trio-Namensgebe­r) im Botanische­n Garten auf.

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