Sie sind die Szene
Vier Augsburger starteten vor 25 Jahren das Magazin Neue Szene. Was mit Chaos begann, hat sich zu einem erfolgreichen Projekt entwickelt. Und nebenbei haben die Herausgeber einen Klub eröffnet und jungen Bands den Weg geebnet
Im März 1991 erschien die erste Ausgabe der Neuen Szene. Der zweite Golfkrieg war gerade in Kuwait und im Irak in vollem Gange und das Stadtmagazin schrieb in seinem Heft „Allah in der Diaspora – wie leben Moslems in Augsburg?“. Ein Thema, das heute so aktuell wie damals ist, hatten die vier Herausgeber Charlie Sono, 61, Walter Sianos, 54, Daniel Anzaldua, 55, und Pit Eberle, 50, für ihre Nummer eins gewählt. Daneben: Tipps und Tricks eines BMX-Fahrers, Veranstaltungskalender, Kleinanzeigen und Besprechungen von neu erschienenen Musik-Platten. Diese Mischung ist eines der Erfolgsrezepte der Neuen Szene.
Dabei waren die Anfänge chaotisch. Es gab viele Jahre zuvor ein Stadtmagazin namens Szene, für das Sono, Sianos und Eberle arbeiteten. Doch der Vorbesitzer war in eine finanzielle Schieflage geraten, schuldete ihnen Geld. Er zog die Notbremse und bot ihnen als Ausgleich das Monatsmagazin an. „Wir haben ihm die Schulden erlassen, das Inventar übernommen und gemeinsam mit Daniel zu viert mit der Neuen Szene weitergemacht“, erzählt Walter Sianos. Einige Monate benötigten die vier Männer, um Anzeigenkunden und die Druckerei wieder für sich zu gewinnen. „Der Ruf war hinüber. Die ersten Druckereirechnungen mussten wir im Voraus bezahlen.“
Ein wilder Haufen seien sie gewesen, erzählen die Vier. Eberle war damals mit hüftlangen Dreadlocks unterwegs, zusammen frönten sie ihrer Musikleidenschaft, bezogen ein kleines Ladengeschäft in der Gögginger Straße, das sie als Büro nutzten. Unweit davon entfernt eröffneten sie gemeinsam einen Klub: das Kerosin.
Die Klubabende Automatic.Music, Vibe-Club und Partys für die homosexuelle Szene etablierten sich dort. Daneben gab es Konzerte. „Wir hatten oft Bands gebucht, die gerade durchstarteten“, sagt Sono. So war es auch mit den Bands „Green Day“und „Offspring“, die auf ihrer Klub-Tour durch Deutschland im Kerosin auftreten wollten und dann aber absagten, weil ihre Songs in den Charts durch die Decke gingen.
Bald wurde den Herausgebern der Szene das Büro zu klein: Sie bezogen Räume am Katzenstadel. Die Tage waren gefüllt mit Arbeit für das Heft, die Nächte mit Partys und Konzerten im eigenen Klub. „Das war alles wahnsinnig viel Arbeit. Wir wissen gar nicht mehr, wie wir das alles geschafft haben“, sagen sie rückblickend. Die Neue Szene nahm an Fahrt auf: Zwischenzeitlich waren es monatlich 25 000 Hefte, die in
„Wir waren immer offen für Neues“
und um Augsburg kostenlos ausgelegt wurden. „Es gab einen regelrechten Hype. Die Hefte waren innerhalb kürzester Zeit vergriffen“, sagen sie. Silvano Tuiach, Horst Thieme und auch Sigrid Einfalt (heute Gribl) schrieben als freie Mitarbeiter für sie. „Der Setzer“, der jahrelang die Kleinanzeigen kommentierte und stets anonym blieb, entwickelte sich zum Kult.
2001 gaben sie das Kerosin auf. Doch ihre Engagements in der Szene wurden deshalb nicht weniger. Seit 30 Jahren veranstalten die Herausgeber nun schon den Band-desJahres-Wettbewerb, an dem inzwischen über 1000 Bands aus der Region teilgenommen haben. In Kooperation mit dem Stadtjugendring veranstalteten sie dreimal das Festi- val „Pop-City“. In der Parklounge stiegen unter ihrer Regie Augsburgs erste Ü-30-Partys.
„Alle haben anfangs gesagt, dass das mit uns nicht gut gehen kann. Sogar unser Steuerberater“, sagt Walter Sianos und lacht. Denn sie haben allen gezeigt, dass sie es doch schaffen. Mit einer einfachen Formel: Jeder ist in seinem Bereich der Chef, wichtige Entscheidungen werden zusammen getroffen. Ihr Erfolgsrezept: „Weil wir immer am Puls der Zeit sind“, ist für Daniel Anzaldua der ausschlaggebende Grund. „Weil wir immer authentisch waren“, fügen Walter Sianos und Charlie Sono hinzu.
Inzwischen haben sie sich räumlich wieder einmal verändert. Im alten Telekom-Gebäude in der Stadtjägerstraße wird nun am Heft gearbeitet. Monatlich liegt die Auflage seit Jahren stabil bei 20000 Exemplaren. „Auch wenn inzwischen die Veranstaltungen auch bei Facebook zu finden sind, gibt es sie nur bei uns in einem umfassenden monatlichen Überblick. Unser Erfolgsrezept ist, dass es unser Heft gratis gibt“, sagt Pit Eberle.
Neben dem Stadtmagazin gibt das Team, zu dem zehn Mitarbeiter zählen, unter anderem BiergartenFührer und Hochzeits-Guides heraus, verantwortet den redaktionellen Teil des FCA-Stadionkuriers. „Wir waren immer offen für Neues“, sagen sie. Und auch nach 25 Jahren bleibt manches gleich. Charlie Sono erzählt: „Ich fahre immer noch einmal im Monat unsere Hefte aus.“
Party Die Neue Szene feiert am Samstag, 6. August, ihr Jubiläum mit einer Party beim Kultstrand-Open-Air im Schlachthofquartier. Los geht es um 16 Uhr. Die Band Steve Train & His Bad Habits tritt auf. Eintritt: 2 Euro. Das Fest findet bei Regen nicht statt.