Friedberger Allgemeine

Du, Chef!

Unternehme­nskultur Was bei Ikea üblich ist, soll jetzt auch bei Lidl kommen: Das „Du“zwischen Angestellt­en und Chefetage. Doch hilft das wirklich, das Arbeitskli­ma zu verbessern? Mitarbeite­r und Experten aus Augsburg erzählen

- VON ANDREA WENZEL

Bei Ikea ist es schon ganz normal. Der Kunde wird geduzt und ist selbst auf Du und Du mit Billy und Co. Auch die Mitarbeite­r sprechen sich ausschließ­lich mit dem Vornamen an – und das bis hinauf zur Chefetage.

Das wollen nun auch andere Konzerne wie beispielsw­eise Otto erreichen und jüngst bot Lidl die vertraulic­he Ansprache für alle Mitarbeite­r über sämtliche Hierarchie­stufen hinweg an. Doch wie kommt dieses Angebot bei den Mitarbeite­rn an? Welche Vorteile und Gefahren stecken in der vertraulic­hen Ansprache und wie schätzen Experten den Duz-Vorstoß ein?

Lidl hält sich mit seinen Aussagen zurück. „Lidl Deutschlan­d hat sich dazu entschiede­n, eine neue DuzKultur im Unternehme­n einzuführe­n“, meldet zwar die Pressestel­le des Lebensmitt­eldiscount­ers auf Anfrage. Einen passenden Ansprechpa­rtner einer Augsburger Filiale, der über erste Eindrücke berichtet, wollte der Konzern aber nicht vermitteln, auch nicht aus der Unternehme­nszentrale.

Eine anonyme Umfrage zeigt: Die Augsburger Lidl-Mitarbeite­r bewerten das Thema ganz unaufgereg­t. „Wir haben uns in der Filiale sowieso schon längst geduzt. Insofern ändert das nichts“, sagt eine Mitarbeite­rin. Die Filialleit­erin eines anderen Marktes ergänzt: „Auch mit manchem Vorgesetzt­en war ich schon beim Du, und da es sich um eine freiwillig­e Regelung handelt, kann man es auch von seinem Gegenüber abhängig machen, ob man darauf eingeht oder nicht.“

Lidl selbst hat mit der neuen „Duz-Kultur“dagegen konkrete Ziele – nämlich Hierarchie­n abzuflache­n, Kommunikat­ionswege zu verkürzen und eine Begegnung auf Augenhöhe zu erreichen. Gleichzeit­ig will man mit der neuen Anredeform seiner internatio­nalen Ausrichtun­g folgen.

Bei Ikea alles längst gang und gäbe. „Hier ist das Du schon seit 70 Jahren üblich und ist wesentlich­er Bestandtei­l der Unternehme­nskultur“, erklärt Peter Süssenbach, der Einrichtun­gshaus-Chef der Filiale in Gersthofen. Weil es sich um ein schwedisch­es Möbelhaus handle und es im Schwedisch­en kein „Sie“gebe, sei das „Du“auch eine logische Konsequenz. „Bei Ikea ist es gewachsen und passt einfach dazu. Das trifft aber meiner Meinung nach nicht auf alle Unternehme­n zu“, ergänzt er.

Diese Einschätzu­ng teilt auch Jörg Hohlfeld von Jörg Hohlfeld – Coaching & Beratung. Der 52-Jährige aus Kissing ist Karriereco­ach und sagt: „Manchmal wirken solche ,Duz-Vorstöße‘ für mich etwas aufgesetzt. Bei mir hinterlass­en sie dann eher den Eindruck, dass ein Unternehme­n das eigene Image in den Medien verbessern und sich als Arbeitgebe­r interessan­t machen will. Ein Du alleine, glaube ich, schafft das aber nicht.“

Ob „Du“oder „Sie“sei nämlich gar nicht so entscheide­nd für eine erfolgreic­he und angenehme Zusammenar­beit in Unternehme­n. Viel wichtiger seien das Arbeitskli­ma und der Respekt, mit dem sich Mitarbeite­r und Chefetage gegenübert­reten. Peter Süssenbach von Ikea sagt: „Bei Ikea muss sich der den Respekt der Mitarbeite­r erarbeiten und wird nicht einfach mit einem Posten dekoriert. Ob Sie oder Du ist dabei egal. Das Du passt einfach nur besser zu Ikea.“Dass Konflikte mit einem lockeren „Du“besser gelöst werden könnten, unterstrei­cht er nicht. „Die Konfliktlö­sung hängt vom Umgang der Mitarbeite­r und der Chefetage untereinan­der ab und nicht von der Anredeform“, ist der Storemanag­er überzeugt. Auch ein besseres Arbeitskli­ma sei mit einer formlosen Anrede seiner Meinung nach nicht zu erreichen. „Es geht um den respektvol­len Umgang miteinande­r, und der kann im Du und im Sie gleicherma­ßen erreicht werden.“

Süssenbach selbst ist seit 23 Jahren beim Unternehme­n und war von Beginn an von der Ikea-Kultur überzeugt. „Ein Teil davon ist der offene Dialog. Da passt ein Du dazu.“Das sähen auch die rund 280 Mitarbeite­r am Standort Gersthofen so und würden sich mit einer Bewerbung gezielt dafür entscheide­n. „Ich hatte noch nie einen Bewerber, der sich gegen diese Anredeform gewehrt hätte“, sagt Süssenbach, erklärt aber auch, dass er keine Ausnahme für einzelne Mitarbeite­r machen würde, die auf ein „Sie“bestehen.

Ikea mag diesbezügl­ich eine Ausnahme sein, denn grundsätzl­ich, sagt Coach Jörg Hohlfeld, muss der Mitarbeite­r selbst wählen können, wie er angesproch­en werden möchte. „Insgesamt ist aber schon zu beobachten, dass in jungen, innovatiVo­rgesetzte ven oder amerikanis­ch angehaucht­en Unternehme­n tendenziel­l häufiger geduzt wird“, berichtet er aus seiner Erfahrung. Werde das „Du“korrekt angewandt und ergebe sich natürlich, könne es durchaus zu einer ehrlichen, direkten und klaren Kommunikat­ion beitragen. Entscheide­nd sei jedoch, dass auch bei diese Art der Ansprache Regeln eingehalte­n werden. „Wenn auf diese Weise der Respekt untereinan­der verloren geht, Rollen verschwimm­en, eine Beziehung durch das Du ins Kumpelhaft­e abgleitet oder andere Mitarbeite­r sich dadurch ausgeschlo­ssen fühlen, dann ist diese Anredeform nicht mehr tragbar“, so Hohlfeld. Dann sollte man sich lieber für ein respektvol­les „Sie“entscheide­n.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Bei Ikea sind alle auf Du und Du. Weil es im Schwedisch­en kein Sie gibt, ist diese persönlich­e Ansprache in über 70 Jahren zur festen Unternehme­nskultur geworden. Storemanag­er Peter Süssenbach (links) und Mitarbeite­rin Isabell Gürtler fühlen sich mit...
Foto: Michael Hochgemuth Bei Ikea sind alle auf Du und Du. Weil es im Schwedisch­en kein Sie gibt, ist diese persönlich­e Ansprache in über 70 Jahren zur festen Unternehme­nskultur geworden. Storemanag­er Peter Süssenbach (links) und Mitarbeite­rin Isabell Gürtler fühlen sich mit...

Newspapers in German

Newspapers from Germany