Du, Chef!
Unternehmenskultur Was bei Ikea üblich ist, soll jetzt auch bei Lidl kommen: Das „Du“zwischen Angestellten und Chefetage. Doch hilft das wirklich, das Arbeitsklima zu verbessern? Mitarbeiter und Experten aus Augsburg erzählen
Bei Ikea ist es schon ganz normal. Der Kunde wird geduzt und ist selbst auf Du und Du mit Billy und Co. Auch die Mitarbeiter sprechen sich ausschließlich mit dem Vornamen an – und das bis hinauf zur Chefetage.
Das wollen nun auch andere Konzerne wie beispielsweise Otto erreichen und jüngst bot Lidl die vertrauliche Ansprache für alle Mitarbeiter über sämtliche Hierarchiestufen hinweg an. Doch wie kommt dieses Angebot bei den Mitarbeitern an? Welche Vorteile und Gefahren stecken in der vertraulichen Ansprache und wie schätzen Experten den Duz-Vorstoß ein?
Lidl hält sich mit seinen Aussagen zurück. „Lidl Deutschland hat sich dazu entschieden, eine neue DuzKultur im Unternehmen einzuführen“, meldet zwar die Pressestelle des Lebensmitteldiscounters auf Anfrage. Einen passenden Ansprechpartner einer Augsburger Filiale, der über erste Eindrücke berichtet, wollte der Konzern aber nicht vermitteln, auch nicht aus der Unternehmenszentrale.
Eine anonyme Umfrage zeigt: Die Augsburger Lidl-Mitarbeiter bewerten das Thema ganz unaufgeregt. „Wir haben uns in der Filiale sowieso schon längst geduzt. Insofern ändert das nichts“, sagt eine Mitarbeiterin. Die Filialleiterin eines anderen Marktes ergänzt: „Auch mit manchem Vorgesetzten war ich schon beim Du, und da es sich um eine freiwillige Regelung handelt, kann man es auch von seinem Gegenüber abhängig machen, ob man darauf eingeht oder nicht.“
Lidl selbst hat mit der neuen „Duz-Kultur“dagegen konkrete Ziele – nämlich Hierarchien abzuflachen, Kommunikationswege zu verkürzen und eine Begegnung auf Augenhöhe zu erreichen. Gleichzeitig will man mit der neuen Anredeform seiner internationalen Ausrichtung folgen.
Bei Ikea alles längst gang und gäbe. „Hier ist das Du schon seit 70 Jahren üblich und ist wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur“, erklärt Peter Süssenbach, der Einrichtungshaus-Chef der Filiale in Gersthofen. Weil es sich um ein schwedisches Möbelhaus handle und es im Schwedischen kein „Sie“gebe, sei das „Du“auch eine logische Konsequenz. „Bei Ikea ist es gewachsen und passt einfach dazu. Das trifft aber meiner Meinung nach nicht auf alle Unternehmen zu“, ergänzt er.
Diese Einschätzung teilt auch Jörg Hohlfeld von Jörg Hohlfeld – Coaching & Beratung. Der 52-Jährige aus Kissing ist Karrierecoach und sagt: „Manchmal wirken solche ,Duz-Vorstöße‘ für mich etwas aufgesetzt. Bei mir hinterlassen sie dann eher den Eindruck, dass ein Unternehmen das eigene Image in den Medien verbessern und sich als Arbeitgeber interessant machen will. Ein Du alleine, glaube ich, schafft das aber nicht.“
Ob „Du“oder „Sie“sei nämlich gar nicht so entscheidend für eine erfolgreiche und angenehme Zusammenarbeit in Unternehmen. Viel wichtiger seien das Arbeitsklima und der Respekt, mit dem sich Mitarbeiter und Chefetage gegenübertreten. Peter Süssenbach von Ikea sagt: „Bei Ikea muss sich der den Respekt der Mitarbeiter erarbeiten und wird nicht einfach mit einem Posten dekoriert. Ob Sie oder Du ist dabei egal. Das Du passt einfach nur besser zu Ikea.“Dass Konflikte mit einem lockeren „Du“besser gelöst werden könnten, unterstreicht er nicht. „Die Konfliktlösung hängt vom Umgang der Mitarbeiter und der Chefetage untereinander ab und nicht von der Anredeform“, ist der Storemanager überzeugt. Auch ein besseres Arbeitsklima sei mit einer formlosen Anrede seiner Meinung nach nicht zu erreichen. „Es geht um den respektvollen Umgang miteinander, und der kann im Du und im Sie gleichermaßen erreicht werden.“
Süssenbach selbst ist seit 23 Jahren beim Unternehmen und war von Beginn an von der Ikea-Kultur überzeugt. „Ein Teil davon ist der offene Dialog. Da passt ein Du dazu.“Das sähen auch die rund 280 Mitarbeiter am Standort Gersthofen so und würden sich mit einer Bewerbung gezielt dafür entscheiden. „Ich hatte noch nie einen Bewerber, der sich gegen diese Anredeform gewehrt hätte“, sagt Süssenbach, erklärt aber auch, dass er keine Ausnahme für einzelne Mitarbeiter machen würde, die auf ein „Sie“bestehen.
Ikea mag diesbezüglich eine Ausnahme sein, denn grundsätzlich, sagt Coach Jörg Hohlfeld, muss der Mitarbeiter selbst wählen können, wie er angesprochen werden möchte. „Insgesamt ist aber schon zu beobachten, dass in jungen, innovatiVorgesetzte ven oder amerikanisch angehauchten Unternehmen tendenziell häufiger geduzt wird“, berichtet er aus seiner Erfahrung. Werde das „Du“korrekt angewandt und ergebe sich natürlich, könne es durchaus zu einer ehrlichen, direkten und klaren Kommunikation beitragen. Entscheidend sei jedoch, dass auch bei diese Art der Ansprache Regeln eingehalten werden. „Wenn auf diese Weise der Respekt untereinander verloren geht, Rollen verschwimmen, eine Beziehung durch das Du ins Kumpelhafte abgleitet oder andere Mitarbeiter sich dadurch ausgeschlossen fühlen, dann ist diese Anredeform nicht mehr tragbar“, so Hohlfeld. Dann sollte man sich lieber für ein respektvolles „Sie“entscheiden.