Friedberger Allgemeine

77 gute Gründe, Augsburg nicht zu verlassen

Mein Augsburg Endlich will einer mal ein Buch schreiben, das viele Augsburg-Nörgler zu ihrer Pflichtlek­türe machen sollten

- VON ALFRED SCHMIDT als@augsburger-allgemeine.de

Ein guter Bekannter von mir gehört zu jenen Augsburger­n, die immer irgendwie mit ihrer Heimatstad­t hadern. Manchmal denke ich mir: Gibt es eigentlich auch mal etwas, an dem du nichts auszusetze­n hast? Mein Bekannter leidet unter unfreundli­chen Straßenbah­nfahrern, parkenden Autos auf dem Radweg, überrasche­nden Baustellen, selbstherr­lichen Beamten in der Stadtverwa­ltung und notorisch unfähigen Stadträten. Manchmal nimmt er sich viel Zeit, mir sein Leiden an dieser Stadt im kleinsten Detail zu erklären. Was soll ich sagen: Oft hat er leider Recht. Seit Längerem beschleich­t mich dennoch das Gefühl, dass sich hinter seinen Nörgeleien eine tiefe Liebe zu Augsburg verbirgt.

Denn obwohl er es ein paar Mal ernsthaft erwogen haben will, ist er nie weggegange­n aus Augsburg. Ich glaube, ein Leben fern von Augsburg wäre wirklich die Hölle für ihn. Ja, er würde sich wahrschein­lich fieberhaft zurücksehn­en zu unfreundli­chen Tramfahrer­n, der ewigen Bausteller­itis, ignoranten Beamten und sogar dem einen oder anderen Rathauspol­itiker, vor dem es ihn doch so gruselt.

Dass es so ist, weiß ich jetzt gewiss – seit mein Bekannter, den ich übrigens sehr schätze, mir ankündigte, ein Buch zu schreiben. Titel: „77 gute Gründe, Augsburg nicht zu verlassen!“Die Stadt sei ja gar nicht so mies, ließ er mich zu meinem größten Erstaunen dieser Tage wissen. Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Hat ihn nach 50 Jahren endlich mal ein Tramfahrer angelächel­t? Ist es altersmild­e?

Ich finde, er sollte dieses Buch unbedingt machen. Denn es soll ja noch immer viele Augsburger geben, ja Augsburg-Verächter, die nicht mitbekomme­n haben, dass sie trotz der einen oder anderen Schwachste­lle in einer äußerst lebensund liebenswer­ten Stadt zu Hause sind. Sie sollten dieses Buch unbedingt lesen und sich dann auf den Weg machen und mit einigen der vielen Neubürger sprechen, die in der Regel begeistert sind von ihrer neuen Stadt.

Den Kontakt zu zwei lieben Münchnern, die seit einem Jahr in Augsburg wohnen und die Stadt täglich mehr ins Herz schließen, kann ich gerne vermitteln. Sie mögen an Augsburg die natürliche Schönheit und Unaufgereg­theit, die sie als wohltuend empfinden gegen das Abgehobene, Aufgesetzt­e und Gekünstelt­e in der Weltstadt nebenan. Von den Lebenshalt­ungskosten ganz zu schweigen.

Meine Münchner Freunde haben mich übrigens in einer Einschätzu­ng bestätigt, die ich persönlich bereits vor 31 Jahren als Neubürger in Augsburg machte: Die Menschen hier sind gegenüber Fremden gar nicht so reserviert und ablehnend, wie Augsburger oft von sich vermuten, dass sie es sind. Wenn ich mich umhöre unter den vielen Zugezogene­n, schwärmen mir viele augenblick­lich vor, wie offen sie in der Stadt, die doch so viel besser sei als ihr Ruf, aufgenomme­n worden sind.

Wenn mein Bekannter, der nun unter die Autoren gehen will, mich also fragen sollte, was mir an Augsburg gefällt, könnte ich ihm ohne nachzudenk­en eine lange Liste schreiben.

Dann müsste er den Titel seines Buches allerdings ändern in „1000 gute Gründe, Augsburg nicht zu verlassen!“

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Foto: Silvio Wyszengrad Der stimmungsv­olle Rathauspla­tz ist einer von vielen Orten in der Stadt, die das gute Lebensgefü­hl in Augsburg ausmachen.
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