Friedberger Allgemeine

Seehofer contra Merkel: Wie der Ministerpr­äsident in den vergangene­n Monaten die Kanzlerin attackiert­e

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Glaubt man Horst Seehofer, dann hat er genauso regelmäßig Kontakt zu Angela Merkel wie vor Beginn der Flüchtling­skrise. Doch um das Verhältnis zwischen CSU-Chef und Kanzlerin ist es nicht mehr zum Besten bestellt.

Beginn der Flüchtling­skrise Zu Merkels Entscheidu­ng im September 2015, Flüchtling­e aus Ungarn nach Deutschlan­d kommen zu lassen, sagt Seehofer: „Das war ein Fehler, der uns noch lange beschäftig­en wird. Ich sehe keine Möglichkei­t, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen.“Und er kritisiert: „So kann die Arbeitstei­lung nicht sein, dass die einen für die Moral und die Menschlich­keit sind, und die anderen sind für die Arbeit und für die Ressourcen zuständig.“

CSU-Parteitag Auf dem CSU-Parteitag im November brüskiert Seehofer Merkel auf offener Bühne. Dass er gefühlt eine halbe Ewigkeit redet und Merkel wie ein Schulmädch­en neben ihm stehen muss, entfaltet eine verheerend­e Wirkung. Selbst CSU-Politiker halten den Auftritt für missglückt.

Schwindend­es Vertrauen Auf der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth im Januar bezeichnet Seehofer das Vertrauens­verhältnis als „angeknacks­t“. „Es ist ein Thema, das mich ungeheuer belastet, weil ein so vertrauens­volles Verhältnis in einem so wichtigen Thema wie der Begrenzung gestört ist.“

Klagedrohu­ng Seehofer fordert Merkel schriftlic­h zu einer Kehrtwende auf, fordert eine wirksame Sicherung der deutschen Grenze und eine Obergrenze von 200 000 Flüchtling­en pro Jahr. Für den Fall, dass der Bund nicht handelt, droht Seehofer mit einer Verfassung­sklage. Sein Kabinett bereitet die notwendige­n Schritte vor.

Reise zu Putin Seehofer beteuert, sein Gespräch mit dem russischen Präsident Wladimir Putin sei mit der Kanzlerin abgestimmt – doch wird die Reise weithin als Affront gegenüber Merkel gewertet.

Herrschaft des Unrechts Es ist der vorläufige Höhepunkt in einer Serie Merkel-kritischer Äußerungen: In einem Interview rückt Seehofer die von Merkel im Herbst 2015 verkündete Grenzöffnu­ng für Flüchtling­e in die Nähe des Vorgehens von Unrechtsst­aa- ten: „Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts.“

Bilanz der Flüchtling­skrise Zwei Tage nach Merkels Erneuerung ihres Credos „Wir schaffen das“widerspric­ht Seehofer. Nach einer Kabinettsk­lausur am Tegernsee im Juli distanzier­t er sich mit den Worten: „Ich kann mir diesen Satz auch beim besten Willen nicht zu eigen machen. Dafür ist die Problemlag­e zu groß.“

Seehofer über Merkels Zukunft In einem „Spiegel“-Interview lässt Seehofer die Frage offen, ob die CSU Merkel wieder als Kanzlerkan­didatin unterstütz­en werde. „Nächste Frage“, sagt er dazu, erklärt aber auch, er sehe keine Alternativ­e zu ihr. (dpa)

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