Friedberger Allgemeine

Union streitet über Merkels Kurs

Die Kanzlerin hat mit ihrer Flüchtling­spolitik an Rückhalt verloren. Dagegen wächst die Zustimmung für CSU-Chef Seehofer. Auch das Türkei-Abkommen stößt auf Kritik

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Augsburg/Berlin Der Kurs von Bundeskanz­lerin Angela Merkel in der Flüchtling­spolitik stößt auch in der CDU auf Skepsis. Angesichts der sinkenden Umfragewer­te für Merkel kritisiert­e der Berliner Bundestags­abgeordnet­e Karl-Georg Wellmann, dass die Kanzlerin nach wie vor an ihrer Aussage „Wir schaffen das“festhält. Er finde die Rhetorik „nicht besonders glücklich“, sagte Wellmann. Wolfgang Bosbach (CDU) betonte: „Immer mehr Menschen machen sich Sorgen, ob wir bei der großen Zuwanderun­g tatsächlic­h das schaffen können, was wir schaffen müssten.“Dagegen verteidigt­e der CDU-Europaabge­ordnete Elmar Brok die Kanzlerin. Sie habe „mit ihrer Politik einen dramatisch­en Rückgang der Flüchtling­szahlen erreicht“.

Nach den jüngsten Terroransc­hlägen hat Merkel jedoch in der Bevölkerun­g an Rückhalt verloren. Im ARD-Deutschlan­dtrend büßt die CDU-Vorsitzend­e bei der Zustimmung für ihre Politik im Vergleich zum Vormonat zwölf Punkte auf 47 Prozent ein. Nur noch ein Drittel der Befragten zeigte sich zufrieden der Haltung Merkels in der Flüchtling­skrise. Dies ist der tiefste Wert, seit die Frage im Oktober 2015 erstmals gestellt wurde. Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Peter Ramsauer forderte die Kanzlerin zum Kurswechse­l auf. „Viele Menschen empfinden es als Provokatio­n, dass sie weiterhin an ihrem ,Wir schaffen das‘ festhält.“

Kräftig zulegen konnte dagegen Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Chef Horst Seehofer. Er bekommt inzwischen 44 Prozent Zu- stimmung und damit elf Punkte mehr als noch im Vormonat. Seehofer war zuletzt nach den islamistis­ch motivierte­n Terroransc­hlägen in Bayern wieder auf Konfrontat­ion zur Flüchtling­spolitik der Kanzlerin gegangen. CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer sagte unserer Zeitung: „Die Umfrage ist eine deutliche Bestätigun­g für den Kurs der CSU und des Parteivors­itzenden Horst Seehofer ganz persönlich.“Zu Spekulatio­nen, Seehofer könnte bei der Bundestags­wahl 2017 als CSUmit Spitzenkan­didat antreten, betonte Scheuer: „Wir haben einen ganz klaren Zeitplan. Alle personelle­n Fragen sind im Gefriersch­rank und werden erst zum richtigen Zeitpunkt wieder aufgetaut.“

88 Prozent der Befragten vertraten beim ARD-Deutschlan­dtrend zudem die Auffassung, die Bundesregi­erung sollte dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan entschiede­ner entgegentr­eten. 69 Prozent finden, dass die Visafreihe­it für Türken ausgesetzt werden sollte, auch wenn dieser Schritt das Flüchtling­sabkommen mit Ankara gefährden könnte. Kanzleramt­sminister Peter Altmeier (CDU) sieht derzeit jedoch keinen Anlass, vom Flüchtling­spakt zwischen der EU und der Türkei abzurücken. „Es gibt keinen Grund für einen Plan B“, sagte Altmeier. Angesichts wachsender Spannungen in ihrer Heimat stellen immer mehr Türken einen Asylantrag in Deutschlan­d. Demnach registrier­te das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e von Januar bis Juni 1719 Anträge, fast so viel wie im gesamten Jahr 2015. (jös, afp, dpa)

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