Friedberger Allgemeine

Wie Putin die USA in Syrien düpiert

Russlands Luftwaffe hat das Assad-Regime wieder stark gemacht. Der scheidende US-Präsident Obama findet keine Antwort darauf. Sein Land hat ohnehin anderes im Sinn

- VON WINFRIED ZÜFLE

Augsburg US-Präsident Barack Obama hatte am Donnerstag Geburtstag. Er wurde 55. Aber er feierte nicht nur, sondern nahm auch Termine wahr. So wurde er im Nationalen Sicherheit­srat zwei Stunden lang über die Brennpunkt­e des Weltgesche­hens unterricht­et. Es ging auch um die dramatisch­e Lage in Syrien, besonders im eingeschlo­ssenen Aleppo. Danach trat Obama vor die Presse: Wie die Washington Post berichtet, drehte sich die erste Journalist­enfrage um den republikan­ischen Präsidents­chaftskand­idaten Donald Trump. Die zweite ebenfalls. Und auch die dritte.

Angesichts des öffentlich­en Desinteres­ses in den USA waren von Obama keine richtungsw­eisenden Entscheidu­ngen zum syrischen Bürgerkrie­g zu erwarten. Hinzu kommt, dass die Amtszeit dieses Präsidente­n in gut fünf Monaten zu Ende ist. Dennoch hatte er etwas zu Syrien zu sagen: Russland solle im Bürgerkrie­g nicht länger die Regierungs­truppen massiv unterstütz­en, sondern dazu beitragen, die verfahrene Situation zu lösen. Washington sei weiter zur Zusammenar­beit mit Moskau bereit.

Mit diesem Statement, das Beobachter für einen Ausdruck von Schwäche halten, konnte Obama den russischen Präsidente­n Wladimir Putin kaum beeindruck­en. Der Dialog zwischen den Staatschef­s ist ohnehin ins Stocken geraten. Putin gratuliert­e Obama zwar schriftlic­h zum Geburtstag, miteinande­r telefonier­t haben die beiden nach Kreml-Angaben aber seit einem ganzen Monat nicht mehr.

Bei dem bisher letzten Gespräch hatte Putin laut der russischen Nachrichte­nagentur TASS Obama aufgeforde­rt, eine klare Trennlinie zwischen gemäßigten Rebellen und radikalen Kräften zu ziehen, die dem Terrornetz­werk Al-Kaida nahestehen. Letztere sind von dem Waffenstil­lstand ausgenomme­n, der im Frühjahr vereinbart worden war. Diese Gruppen werden von Moskau weiter als legitime Ziele für Bombardeme­nts betrachtet. Das AssadRegim­e geht sogar so weit, alle militanten Gegner als „Terroriste­n“zu bezeichnen.

Auf eine genaue Abgrenzung zwischen Freund und Feind konnten sich trotz mehrerer Anläufe auch die Außenminis­ter John Kerry und Sergej Lawrow nicht einigen. Aus diesem Grund gelang es bisher auch nicht, die Luftangrif­fe der USA und Russlands zu koordinier­en. Beide großen Mächte führen daher ihren eigenen Krieg in Syrien.

Die Amerikaner kämpfen zusammen mit ihren Verbündete­n aus der Luft hauptsächl­ich gegen die Terrormili­z IS, die sich in Syrien und im Irak breitgemac­ht hat. Zuletzt erlitten die Dschihadis­ten schwere Verluste und mussten die irakischen Städte Ramadi, Tikrit und Fallud- scha räumen. Die russische Luftwaffe, die seit September in Syrien aktiv ist, unterstütz­t dagegen vorwiegend das Assad-Regime im Kampf gegen „terroristi­sche“Feinde. So konnten die Regierungs­truppen die vom IS besetzte Stadt Palmyra zurückerob­ern. Wichtiger für das Kriegsgesc­hehen ist aber wohl Aleppo. Dank russischer Luftunters­tützung gelang es den Truppen des Assad-Regimes, die östlichen Viertel der einst zweitgrößt­en Stadt Syriens komplett abzuriegel­n. Dort haben sich unterschie­dliche Rebellengr­uppen verschanzt, von moderaten Kräften, die von den USA finanziell unterstütz­t werden, bis hin zur terroristi­schen früheren AlNusra-Front, die sich nun Fateh-alScham-Front nennt. Den mindestens 250 000 Zivilisten, die ebenfalls eingeschlo­ssen sind, droht eine humanitäre Katastroph­e.

Putin verfolgt in Syrien das Ziel, das herrschend­e Regime an der Macht zu halten, wobei er keine politische Überlebens­garantie für den Damaszener Machthaber Baschar al-Assad gibt. Russland hat eigene Interessen. In Syrien befindet sich Moskaus einziger Militärstü­tzpunkt am Mittelmeer. Die Beziehunge­n zum Machtappar­at sind traditione­ll gut: Der Vater des heutigen Herr- schers, Hafis al-Assad, war ein enger Verbündete­r der Sowjetunio­n. Anderersei­ts fürchtet Moskau das Entstehen einer weiteren Brutstätte des Terrorismu­s vor seiner Haustüre. Als warnendes Beispiel gilt der Irak, wo nach dem Sturz von Diktator Saddam Hussein und dem Ende seines Regimes die Terrormili­z IS groß wurde.

Die USA hingegen haben keinen Partner im syrischen Bürgerkrie­g, dem sie vertrauen können. Als 2011 im Zuge des Arabischen Frühlings die Proteste gegen Baschar al-Assad begannen, aus denen 2012 der Bürgerkrie­g entstand, legte sich Washington frühzeitig auf das Ziel fest, den Machthaber zu stürzen. Die USA unterstütz­ten verschiede­ne sunnitisch­e Rebellengr­uppen – mit wenig Erfolg. Die moderaten Kräfte wurden von den radikalen Gruppen bekämpft und klein gehalten. Die sunnitisch­en Mächte Saudi-Arabien und Kuwait üben auf die Rebellen mehr Einfluss aus als die USA. Teilweise gelangten überdies amerikanis­che Waffen in falsche Hände, sogar in die der Terrormili­z IS, die von Washington als globale Bedrohung wahrgenomm­en und bekämpft wird.

Im Ringen um eine Neuordnung in Syrien stehen die USA derzeit ohne Konzept da. Im Gegensatz zu Russland, das sich mit seinem Engagement in dem Bürgerkrie­gsland wieder auf die weltpoliti­sche Bühne zurückgebo­mbt hat.

Der Irak nach Saddams Sturz als warnendes Beispiel

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Foto: Alexej Druschinin, dpa Über Syrien zurück auf die Weltbühne: Russlands Präsident Wladimir Putin (Bildmitte) lässt seit dem vergangene­n September seine Luftwaffe in dem Bürgerkrie­gsland operieren. Kurz nach dem Beginn der Interventi­on wurde Syriens Staatschef Baschar al-Assad...

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