Auf den letzten Drücker
Erst kurz vor Beginn der Wettkämpfe wird die Olympia-Strecke fertig. Zwischenzeitlich fielen sogar die Pumpen aus
Rio Auf den Stahlrohrtribünen ist eine Putzkolonne dabei, die Sitze zu säubern, am Rand des künstlichen Kanals stellen Arbeiter gerade die Fahnenmasten auf und auf den Hügeln verbreiten die frisch eingepflanzten Palmen exotisches Flair. „Langsam schaut es aus wie eine Sportstätte“, sagt der Kajakfahrer Hannes Aigner (Olympiabronze 2012) lächelnd, einer aus der großen Augsburger Wildwasser-Fraktion bei den Spielen. Die Brasilianer sind Meister in der Arbeit auf den letzten Drücker. Das gilt auch für das Kanuslalom-Stadion in Deodoro bei Rio.
„Es wird Zeit, dass es losgeht“, findet Sideris Tasiadis. Für ihn beginnt Olympia am Sonntag mit der ersten Runde im Canadier-Einer. Der Silbermedaillengewinner von 2012 fühlt sich gut vorbereitet. Nach insgesamt rund 50 Testtagen in Brasilien weiß der angehende Polizeibeamte, was ihn erwartet: Kein schweres Wildwasser wie vor vier Jahren in London, das den gewitzten Wellenreiter verlangt, sondern eine Paddeltour, in der es auf den kräftigen Armzug ankommt. „Anreißen“nennt es der 26-Jährige, wenn er seinem Boot bei mangelnder Strömung zusätzlichen Schwung verleihen will.
Tasiadis ist einer von 19 Canadier-Spezialisten, die am Sonntag ins Rennen gehen. Die besten 14 kommen ins Halbfinale am Dienstag, Tasiadis will dennoch nicht auf Sicherheit fahren. „Ich bleibe meinem Stil treu.“Sein Bundestrainer Sören Kaufmann rechnet damit, dass das Streckenaufbauteam der fehlenden Wasserwucht mit schwierigen Torkombinationen begegnen wird. Der ehemalige Weltmeister erwartet „einen eckig ausgehängten Kurs“. Sein Kajak-Kollege Thomas Apel vergleicht es mit dem alpinen Slalom. „Da kann ein kleiner Fehler vor einem Gleitstück auch große Auswirkungen haben.“
Die Position der Torstäbe bestimmt in Rio Thomas Schmidt gemeinsam mit einer französischen Kollegin. Der Augsburger KajakOlympiasieger von 2000 – Mitglied der Slalomkommission des KanuWeltverbandes ICF – stieg diese Woche selbst ins Boot, um die Eigenheiten der Strömung noch besser kennenzulernen.
Am Donnerstag war das Nass im Olympiakanal allerdings nur noch ein Rinnsal. Die für den Wasserkreislauf zuständigen Pumpen bekamen keinen Strom. Die deutsche Nationalmannschaft musste ihr Training abbrechen. Die Folge: Es blieb mehr Zeit für die Videoanalyse mit den Trainern und Sportwissenschaftler Michael Keim, der seine fünften Spiele erlebt. Er hat eine Erklärung für die Fahrkünste der Augsburger, zu denen noch Melanie Pfeifer im Kajak-Einer gehört. „Sie haben auf dem Eiskanal sehr frühzeitig das technische Rüstzeug bekommen um auf verschiedenen Strecken schnell und angepasst zu reagieren.“Der Kurs von 1972 ist ein Musterbeispiel der olympischen Nachnutzung – ganz im Gegensatz zu den Kanälen in Athen (2004) und Peking (2008). „Auch in Deodoro habe ich meine Zweifel, ob der Slalom hier eine Zukunft hat.“
Tasiadis ist skeptisch, auch wenn an gleicher Stätte 2018 die Weltmeisterschaften stattfinden. Vieles ist improvisiert. Die Athleten müssen sich in Zelten umziehen. Die Brasilianer sind ideenreich. Das Bassin, in dem sich die Kanuten warmpaddeln, erfreute sich vor einigen Monaten bereits größter Beliebtheit bei der Bevölkerung – als Schwimmbad.