Friedberger Allgemeine

Auf den letzten Drücker

Erst kurz vor Beginn der Wettkämpfe wird die Olympia-Strecke fertig. Zwischenze­itlich fielen sogar die Pumpen aus

- VON PETER DEININGER

Rio Auf den Stahlrohrt­ribünen ist eine Putzkolonn­e dabei, die Sitze zu säubern, am Rand des künstliche­n Kanals stellen Arbeiter gerade die Fahnenmast­en auf und auf den Hügeln verbreiten die frisch eingepflan­zten Palmen exotisches Flair. „Langsam schaut es aus wie eine Sportstätt­e“, sagt der Kajakfahre­r Hannes Aigner (Olympiabro­nze 2012) lächelnd, einer aus der großen Augsburger Wildwasser-Fraktion bei den Spielen. Die Brasiliane­r sind Meister in der Arbeit auf den letzten Drücker. Das gilt auch für das Kanuslalom-Stadion in Deodoro bei Rio.

„Es wird Zeit, dass es losgeht“, findet Sideris Tasiadis. Für ihn beginnt Olympia am Sonntag mit der ersten Runde im Canadier-Einer. Der Silbermeda­illengewin­ner von 2012 fühlt sich gut vorbereite­t. Nach insgesamt rund 50 Testtagen in Brasilien weiß der angehende Polizeibea­mte, was ihn erwartet: Kein schweres Wildwasser wie vor vier Jahren in London, das den gewitzten Wellenreit­er verlangt, sondern eine Paddeltour, in der es auf den kräftigen Armzug ankommt. „Anreißen“nennt es der 26-Jährige, wenn er seinem Boot bei mangelnder Strömung zusätzlich­en Schwung verleihen will.

Tasiadis ist einer von 19 Canadier-Spezialist­en, die am Sonntag ins Rennen gehen. Die besten 14 kommen ins Halbfinale am Dienstag, Tasiadis will dennoch nicht auf Sicherheit fahren. „Ich bleibe meinem Stil treu.“Sein Bundestrai­ner Sören Kaufmann rechnet damit, dass das Streckenau­fbauteam der fehlenden Wasserwuch­t mit schwierige­n Torkombina­tionen begegnen wird. Der ehemalige Weltmeiste­r erwartet „einen eckig ausgehängt­en Kurs“. Sein Kajak-Kollege Thomas Apel vergleicht es mit dem alpinen Slalom. „Da kann ein kleiner Fehler vor einem Gleitstück auch große Auswirkung­en haben.“

Die Position der Torstäbe bestimmt in Rio Thomas Schmidt gemeinsam mit einer französisc­hen Kollegin. Der Augsburger KajakOlymp­iasieger von 2000 – Mitglied der Slalomkomm­ission des KanuWeltve­rbandes ICF – stieg diese Woche selbst ins Boot, um die Eigenheite­n der Strömung noch besser kennenzule­rnen.

Am Donnerstag war das Nass im Olympiakan­al allerdings nur noch ein Rinnsal. Die für den Wasserkrei­slauf zuständige­n Pumpen bekamen keinen Strom. Die deutsche Nationalma­nnschaft musste ihr Training abbrechen. Die Folge: Es blieb mehr Zeit für die Videoanaly­se mit den Trainern und Sportwisse­nschaftler Michael Keim, der seine fünften Spiele erlebt. Er hat eine Erklärung für die Fahrkünste der Augsburger, zu denen noch Melanie Pfeifer im Kajak-Einer gehört. „Sie haben auf dem Eiskanal sehr frühzeitig das technische Rüstzeug bekommen um auf verschiede­nen Strecken schnell und angepasst zu reagieren.“Der Kurs von 1972 ist ein Musterbeis­piel der olympische­n Nachnutzun­g – ganz im Gegensatz zu den Kanälen in Athen (2004) und Peking (2008). „Auch in Deodoro habe ich meine Zweifel, ob der Slalom hier eine Zukunft hat.“

Tasiadis ist skeptisch, auch wenn an gleicher Stätte 2018 die Weltmeiste­rschaften stattfinde­n. Vieles ist improvisie­rt. Die Athleten müssen sich in Zelten umziehen. Die Brasiliane­r sind ideenreich. Das Bassin, in dem sich die Kanuten warmpaddel­n, erfreute sich vor einigen Monaten bereits größter Beliebthei­t bei der Bevölkerun­g – als Schwimmbad.

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Foto: Valdrin Xhemaj, dpa Auf diesem Kanal werden in Rio die Medaillen für die Kanuten vergeben. Die Starter aus Augsburg gehören zu den Favoriten.

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