Starker Auftritt unter Tränen
Andreas Toba zieht sich Kreuzbandriss zu und turnt anschließend am Pauschenpferd. Nach der grausamen Verletzung eines Franzosen geht ein Aufschrei durch die Halle
Rio de Janeiro Eine wahre Heldentat von Andreas Toba hat die brillante Reck-Gala von Fabian Hambüchen in den Hintergrund gedrängt. Gepeinigt von Schmerzen schoss es dem schwer verletzten deutschen Turn-Meister in Rio auf der Krankenpritsche durch den Kopf: „Du musst dem Team helfen und am Pferd turnen. Wir sind hier nicht bei irgendeiner Gau-Meisterschaft“, berichtete der Niedersachse mit Tränen in den Augen von der vielleicht ungewöhnlichsten Situation seiner Turn-Karriere.
Kurz zuvor hatten ihn Helfer aus der Olympic-Arena getragen und Teamarzt Hans-Peter Boschert die verheerende Diagnose gestellt: Kreuzbandriss. Entsetzt blickten die Deutschen drein, als Toba nach verunglückter Landung am Boden mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammensackte. „Auf einmal hat es gekracht, und ich konnte das Bein nicht mehr halten“, schilderte er den Moment des Schreckens.
Doch ein Aufgeben gibt es für den stillen Norddeutschen nicht. Als ihn die Kampfrichter schon aus den Startlisten gestrichen hatten, humpelte der 25-Jährige auf das Podium und setzte am Pauschenpferd seinen Wettkampf fort. Mit 14,233 Punkten turnte er die höchste Wertung der Deutschen und sicherte dem Team trotz des Riesen-Missgeschicks auf Rang acht schließlich den Finalstart am Montag. Sogleich machte das Wort vom
„Hero de Janeiro“die Runde. Sein Traum von einem weiteren Start im Team-Finale erfüllte sich
Die Mannschaftskollegen verneigen sich
am Sonntag indes nicht. Nach einer eingehenden Untersuchung stellte sich heraus, dass sich Toba neben dem Riss des vorderen Kreuzbandes auch am Innenmeniskus verletzt hat. Daher sei ein Start aus medizinischer Sicht unmöglich, hieß es von der Mannschaftsleitung. Toba muss operiert werden und nach Deutschland zurückreisen, sobald er schmerzfrei ist. Seine Team-Gefährten konnten ihre Wertschätzung kaum in Worte fassen. „Als ich den Sturz sah, hat es mir das Herz gebrochen“, bekannte Marcel Nguyen. „Ich weiß, wie er im Training gekämpft hat.“Fabian Hambüchen verneigte sich: „Ich zieh den Hut vor Andy. Respekt. Das hätte nicht jeder gemacht. Dass wir es geschafft haben, ist auf Andys Mist gewachsen.“Hambüchen trägt nach seiner glanzvollen Reck-Darbietung nun allein die Medaillen-Hoffnungen. Nach Bronze in Peking und Silber in London möchte er seine Laufbahn im letzten Wettkampf möglichst mit der dritten Olympia-Plakette krönen. „Der Druck war groß. Das war ein Riesen-Befreiungsschlag“, meinte der Vorturner, nachdem er in seinem 100. internationalen Wettkampf für den Deutschen Turner-Bund das Publikum mit wedelnden Armen aufgeputscht hatte.
„Der erste Quali-Platz am Reck ist schön und gut, aber im Finale geht es wieder bei Null los und ich muss als erster dort starten. Das ist keine optimale Ausgangslage“, sagte er. Begleitet wird er im Reckfinale nicht von Andreas Bretschneider, der ausgerechnet bei seiner EigenKreation abstürzte. Der Chemnitzer steht neben Marcel Nguyen aber im Mehrkampf-Finale. Als VorkampfBester zieht London-Olympiasieger China in das Team-Finale ein. Weltmeister Japan musste sichmit Rang vier hinter den USA und Russland begnügen.
In Erinnerung bleiben aber auch die Bilder einer grausamen Beinverletzung des französischen Turners Samir Ait Said. Ein Aufschrei ging durch das Publikum, als der Europameister von 2013 im bei seinem Sprung so unglücklich auf dem linken Bein landete, dass der Unterschenkel quer stand. Diagnose: Durchbruch des Unterschenkels. Am Sonntag postete aber schon wieder Grüße via Facebook aus dem Krankenhaus.
»Siehe auch Toba-Porträt Seite 2