Ein erster Blick auf „Die letzte Sau“
Vorpremiere Die kleinen Bauern sterben, weil alles immer billiger werden muss. Aron Lehmann aus dem Ries hat zum Drama ein Roadmovie gedreht. Und im Mephisto gab es viel zu lachen
Mit einem Schwein auf dem Motorrad fahren? Nicht ganz einfach. Lise hat es jedoch gefallen und sie ist die tierische Hauptdarstellerin im Film „Die letzte Sau“von Aron Lehmann, dem Regisseur aus dem Ries. Zwei Monate vor dem Kinostart konnte man den neuen Streifen am Freitagabend im fast ausverkauften Mephisto schon anschauen und mit der Filmcrew plaudern, aus der Rosalie Thomass herausstach, die für ihre Hauptrolle in Doris Dörries „Grüße aus Fukushima“heuer den Bayerischen Filmpreis erhalten hat.
Soll man lachen, soll man traurig sein – beide Stimmungen liegen in dem deutschen Roadmovie eng beieinander. Der junge Huber-Bauer aus einem Rieser Dorf ist zum Rebell geworden, seit seine traditionelle Schweinemast mit den Agrarfabriken nicht mehr mithalten kann und sein alter Hof zur Ruine geworden ist. Zudem hat ihn Birgit, sein Schwarm, im Stich gelassen. Also packt er seine letzte Sau in den Beiwagen und braust los, irgendwohin. Golo Euler, ein junger Münchner Schauspieler, streift sich dazu den blauen Rieser Kittel über und setzt die schwarze Kappe mit der Quaste auf und schwingt sich auf eine ehrwürdige BMW R 25.
ein ganz normales Schwein, musste sich erst ans Zweirad gewöhnen. „Bei ihr mussten wir mit allem rechnen, sie sprang spontan aus dem Wagen, sie kackte und kotzte, wann sie wollte. Aber für eine Kartoffel war sie immer zu haben“, erzählte Euler im Kino. In einer Szene wird er sogar von Lise im Gesicht abgeleckt. Verlassen konnte er sich immer auf ihr „Oink!“. Allemal lieber habe er mit Rosalie am Set gespielt, die wiederum mit Lise nichts zu tun hatte, aber wieder mal Traktor fahren durfte. Und sowieso gern mit Golo Euler zusammenarbeitet.
31 Tage lang durfte Lehmann drehen – mehr als sonst für solche Filme üblich. „Aber es stürzt nicht immer ein Meteorit vom Himmel“, meint er grinsend. Dafür ließ er die Arri in ihre Trickkiste greifen. Vieles wurde im Nördlinger Ries aufgenommen. Für Hubers Desaster hat Lehmann dort sogar einen echten Hof aufgetrieben. Er stand auf Abbruch, aber zuerst hatte ihn die Dekorateurin so aufgehübscht, dass es ihr furchtbar leidgetan habe, als der Hof vor der Kamera dann zerstört und verbrannt wurde. Um den echten Heimatsound einzufangen, schaltete Lehmann, selbst ein Rieser aus Deiningen, einen Dialekt-Coach ein. „Er war wirklich krass streng und hat unsere Sprechproben genau geprüft“, erzählt Rosalie Thomass, die wie Golo Euler in München geLise, boren ist. Golo hatte den leichteren Part: Im Film ist er so wortkarg, wie die echten Rieser sind. Dafür bringt der Metzger seinen Bankberater in völlige Konfusion, als er dessen Banker-Slang im Dialekt entlarvt.
Aron Lehmann hat viele solcher Spitzen in sein Drehbuch eingebaut. Sein Film ist ein satirischer Reflex auf den unseligen Strukturwandel in der Landwirtschaft und den Dörfern, der zusammen mit den Höfen auch die damit verbundenen traditionellen Handwerke sterben lässt. Der Kampfruf „So geht’s nicht weiter“im Film ist durchaus der seine. Dass Bauer heute ein Schimpfwort ist, wurmt Lehmann recht.
Wie nahe Lustiges und Tragisches beieinanderliegen, wisse er seit seiner Kindheit. „Mit sieben bin ich von der Rutsche gefallen und rief vor Schmerz und Schreck: ,Ich bin querschnittsgelähmt!’ Aber alle lachten nur über mich.“Unterhaltsam eingewickelt erreiche ein Film mehr Zuschauer, sagt Lehmann. Wie die Sau beim Metzger blutig abgestochen wird und wie die Ferkel kastriert werden, ließ der Regisseur dennoch nicht aus. „Wir zeigen die Schweinehaltung nur von der allerromantischsten Seite“, versichert er.
Kinostart „Die letzte Sau“ist ab dem 29. September im Kino zu sehen.