Friedberger Allgemeine

Augsburg setzt ein Zeichen für den Frieden

In Zeiten von Terror und Putschvers­uchen hat der 8. August an Bedeutung gewonnen. An der Tafel auf dem Rathauspla­tz nehmen so viele Menschen Platz wie noch nie. Ein rechter Aufmarsch sorgt für Aufsehen

- VON MIRIAM ZISSLER UND STEFAN KROG

So viele Besucher zählte die Friedensta­fel noch nie: Jahr für Jahr hatten die Mitarbeite­r des Friedensbü­ros am Augsburger Friedensfe­st mehr Biertischg­arnituren aufgebaut. In diesem Jahr waren es 120 Garnituren. Über 1000 Personen fanden dort Platz, doch es waren immer noch zu wenig Tische und Bänke. Zahlreiche Teilnehmer ließen sich deshalb einfach auf ihren Decken auf dem Boden nieder und aßen im Schatten des Verwaltung­sgebäudes ihr Picknick.

Elfriede Sontag aus Friedberg hatte Glück. Sie ergatterte noch einen Platz an der Tafel. „Ich komme Jahr für Jahr hierher, weil ich diese Idee so gut finde. Zuerst war ich im Gottesdien­st. Jetzt habe ich Wurstsalat mitgebrach­t, den ich natürlich mit den anderen Besuchern hier am Tisch teile.“

Die Friedensta­fel als gelebtes Symbol für die offene und friedliche Begegnung der gesamten Stadtgesel­lschaft ist für viele Menschen der Höhepunkt im Rahmenprog­ramm zum Hohen Friedensfe­st. Oberbürger­meister Kurt Gribl betonte in seiner Ansprache, dass damit ein Signal gesetzt werde: „Die Bereitscha­ft zur Begegnung und der Mut zur Friedensar­beit werden durch das jährliche Ritual bekräftigt.“

Dennoch seien es in einer Stadt mit knapp 300 000 Einwohnern noch viel zu wenige, die diesen Weg beschreite­n würden. In einer Zeit, in der diese Friedensar­beit wichtiger sei denn je. Gribl: „Die Ängste und die Unzufriede­nheit in der Gesellscha­ft dürfen nicht ausgeblend­et werden. Jeder muss die Möglichkei­t bekommen, sie zu äußern.“Mit dem Ziel, dass der soziale Frieden in der Stadt nicht gefährdet werden dürfe.

Dieses Ansinnen bekräftigt­en die Vertreter des Runden Tisches der Religionen. Sie lasen ihre Friedensgr­üße vor und wollten damit ein Zeichen in Augsburg und für Augsburg setzen. „In der gegenwärti­gen Weltlage sind wir nicht immer einer Meinung. Unsere Erfahrunge­n prägen unser Urteil“, sagte Stadtdekan­in Susanne Kasch. Deshalb werde untereinan­der auch diskutiert und gestritten. Am Ende seien sie sich immer einig: dass der Name Gottes nicht missbrauch­t werden dürfe. „Der Schöpfer will Frieden“, sagte Prof. Elisabeth Naurath von der Universitä­t Augsburg.

Ein Zeichen setzte auch die Gruppe „Equal Rights Movement“, die sich „für die gleichen Rechte für alle“einsetzt. „Duldung ist menschenun­würdig“oder „Bleiberech­t für alle Menschen“stand auf den Schildern der Teilnehmer der Bewegung. Gut ein Dutzend hatten sich auf der Bühne und davor postiert. Sie kämen aus dem Senegal, was als sicherer Herkunftss­taat gelte, erklärte ein Teilnehmer. Somit hätten sie keinen Aufenthalt­sstatus und somit auch ein Arbeitsver­bot. Dagegen protestier­ten sie. Das fand wiederum CSU-Bundestags­abgeordnet­er Volker Ullrich „nicht in Ordnung“. Denn in seinen Augen sei das Friedensfe­st für ein Miteinande­r und dem Austausch der verschiede­nen Religionsg­emeinschaf­ten da und nicht für eine „einseitige politische Meinungsäu­ßerung aus einer extrem linken Ecke“.

Am Nachmittag fand am Prinzregen­tenplatz eine Kundgebung der rechtsgeri­chteten „Bürgerinit­iative Ausländers­topp Augsburg“unter dem Motto „Die Lüge vom Frieden“statt. Zehn Demonstran­ten unter Führung des früheren NPDFunktio­närs Roland Wuttke (Mering) versammelt­en sich hinter massiven Polizeiabs­perrungen. Wuttke, der vom Verfassung­sschutz als Rechtsextr­emist eingestuft wird, hatte ursprüngli­ch auf den Rathausode­r Moritzplat­z gewollt. Da diese Plätze durch das Friedensfe­st belegt waren, lehnte die Stadt ab und bekam auch vor dem Verwaltung­sgeaber richt Recht (wir berichtete­n). Die Polizei war ab dem Vormittag trotzdem auf mehreren Plätzen präsent, nachdem Wuttke im Internet angekündig­t hatte, eventuell auf andere Plätze als den zugewiesen­en Prinzregen­tenplatz auszuweich­en.

Eine größere Öffentlich­keit erreichten die Rechtsextr­emisten auf dem Prinzregen­tenplatz nicht. 20 Gegendemon­stranten waren vor Ort, nachdem Stadt, Kirchen und Gewerkscha­ften bewusst keinen Aufruf zu einer Gegendemo gestartet hatten. Vergangene­s Jahr waren 800 Demonstran­ten 15 Rechtsakti­visten gegenüberg­estanden.

Für Aufsehen sorgte eine Aktion der Rechtsextr­emisten im Anschluss an die nicht einmal zehnminüti­ge Demo am Prinzregen­tenplatz. Sie unternahme­n ohne Ankündigun­g eine Art „Stadtspazi­ergang“, der sie wohl nicht zufällig an Rathaus- und Moritzplat­z vorbeiführ­te, allerdings ohne Ansprachen. Die Polizei setzte der Gruppe hinterher. „Die Einsatzkrä­fte wirkten auf ein baldiges Ende des Rundgangs hin“, so Einsatzlei­ter Werner Bayer. Etliche Bereitscha­ftspolizis­ten trennten rechte Demonstran­ten und linke Gegendemon­stranten. Ein größeres Polizeiauf­gebot gab es zum Abschluss an einem Biergarten in Bahnhofsnä­he, wohin sich die Rechten zurückzoge­n.

Die Polizei riegelte den Eingang mit 30 Kräften ab, um linken Aktivisten den Zugang zu verwehren und Zusammenst­öße zu verhindern. Gegen 17.30 Uhr war alles vorbei. Größere Zwischenfä­lle gab es nicht. Bei einem Teilnehmer der rechten Demo stellte die Polizei einen Schlagstoc­k sicher.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Die Friedensta­fel ist seit Jahren ein gelebtes Symbol für offene und friedliche Begegnunge­n von Menschen aller Nationen und Religionen. Auch gestern war am Rathauspla­tz wieder viel los. Beim Kinderfrie­densfest im Botanische­n Garten hatten vor allem die...
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