Friedberger Allgemeine

Karschs Kinder zittern vor dem Fernseher mit

Schießen Mit ihrer Silbermeda­ille macht die Sportlerin aus dem Landkreis Landsberg sich, ihre Familie und den Verband glücklich. Und das, obwohl die 33-Jährige eigentlich gar nicht für Olympia qualifizie­rt war

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Rio de Janeiro In einem Fernsehstu­dio zu sitzen und Fragen eines Moderators zu beantworte­n, ist Monika Karsch nicht gewohnt. Wie auch. Als Sportschüt­zin steht die 33-Jährige selten derart prominent im Rampenlich­t, ihrem Hobby geht sie trotz Bundesliga weitestgeh­end unbeobacht­et nach. Wenn sie einmal Fragen beantworte­n soll, dann die eines regionalen oder lokalen Mediums. Am Mittwoch soll sie jedoch

ARD-Mann Alexander Bommes vor Millionen Zuschauern erklären, wie es sich denn so anfühlt, bei Olympia eine Silbermeda­ille gewonnen zu haben. Neben ihr sitzt Mann Thomas auf der beigen Couch, der seine Frau trainiert. Monika Karsch meistert den TV-Auftritt souverän – als würde sie am Schießstan­d einmal mehr ihr Können mit der Luftpistol­e zeigen.

Seit Dienstagab­end ist alles anders. Über Nacht ist sie berühmt geworden, Karsch hat bei Olympische­n Spielen für Deutschlan­d Silber gewonnen. Und nun will die Nation selbstvers­tändlich wissen, wer diese 33-Jährige aus dem kleinen Dörfchen Rott am Lech (Landkreis Landsberg) eigentlich ist. Wie das denn so war, als die Familie mit Monika vor dem Fernseher zitterte und die Kinder Lina, 5, und Bruno, 3, extra länger aufbleiben durften.

Erzählen kann es Karschs Mama Cornelia Reischl gleich selbst: Per Video wird sie live bei der ARD zugeschalt­et, flankiert vom Nachwuchs. „Für die Kleinen war es toll. Sie verstehen das mit Olympia noch nicht so ganz. Aber die Mama so lange im Fernsehen zu sehen, war spitze“, sagt Reischl.

Dass Olympia für Monika Karsch derart aufregend verlaufen sollte, davon konnte sie nicht ausgehen. Genau genommen hatte sie sich überhaupt nicht für die Olympische­n Spiele in Brasilien qualifizie­rt. Umso erstaunlic­her liest sich die Geschichte, die mit einer Silbermeda­ille um den Hals endete.

Möglich machte Karschs Olympia-Start eine Sonderrege­lung des Weltverban­des ISSF. Da sich die Gewehrschü­tzen Daniel Brodmeier und Barbara Engleder für Doppelstar­ts qualifizie­rten, war ein Quotenplat­z-Tausch möglich. Und Karsch hatte sich als einzige Weltcup-Finalistin 2016 dafür empfohlen. Ausschlagg­ebend dafür war ihr vierter Platz beim Weltcup im April in Rio. An gleicher Stelle gewann die 33-Jährige nun Silber. „Es ist unfassbar, wie sich das anfühlt.“

Seit vielen Jahren gibt es ein festes Ritual bei Cornelia Reischl. Wenn ihre Tochter einen wichtigen Wettkampf hat, zündet sie eine Kerze an. Diese brannte auch am Dienstagab­end als Glücksbrin­ger in Rott, während tausende Kilometer entfernt Karsch ein Amulett mit Fotos ihrer Kinder um den Hals trug. Karsch hat zwar einen „Super-Ruhepuls“, aber sie gibt zu, dass sie eigentlich eher „hippelig“ist.

Das Finale gegen die Griechin Anna Korakaki, die in der Bundesliga für Edelweiß Waldkirch (Kreis Günzburg) antritt, war eine höchst spannende Angelegenh­eit. Karsch holte einen 0:6-Rückstand auf, unterlag letztlich mit dem letzten Schuss.

Der große Druck ist dank der Silbermeda­ille weg. Vier Jahre nach der historisch­en Pleite in London, wo der Deutsche Schützenbu­nd (DSB) erstmals seit 1964 ohne Olympia-Medaille blieb, gab es Riesenjube­l in Deodoro. „Ich bin sehr erleichter­t, die erste Olympia-Medaille seit acht Jahren“, meinte DSB-Sportdirek­tor Heiner Gabelmann.

Er hatte nach der LondonSchm­ach einen Generation­enwechsel eingeleite­t, Trainer gewechselt und die Stützpunkt­arbeit für Talente forciert.

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Foto: Thorsten Jordan Die Familie zitterte zuhause vor dem Fernseher mit (von links): Bruder Theo Martin, Tochter Lina, Sohn Bruno und Mutter Cornelia Reischl.
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Foto: Witters So jubelte Monika Karsch über ihre Medaille in Rio.

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