Friedberger Allgemeine

Eine Raiffeisen­bank erhebt Strafzins

Das Institut am Tegernsee verlangt als erstes in Bayern eine Gebühr auf hohe Einlagen

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Mit diesem bundesweit­en Echo hatte Josef Paul nicht gerechnet. Der 59-Jährige ist Vorstandsm­itglied der Raiffeisen­bank Gmund am Tegernsee. Sein Institut gehört unter den Bankhäuser­n in Deutschlan­d – wie viele andere Volksbanke­n auch – zu den kleineren Instituten. Trotzdem erregt die Bank jetzt großes Aufsehen, da sie bald einen Strafzins auf Guthaben bestimmter Privatkund­en erhebt. Das Institut selbst spricht von einem „Verwahrent­gelt“.

Bei Josef Paul stand gestern Vormittag das Telefon kaum still. Vielleicht liegt der Medienanst­urm daran, dass Fachleute seit geraumer Zeit warnen, dass die Negativzin­sPolitik der Europäisch­en Zentralban­k auch die Sparer erreichen könnte. Die Banken selbst zahlen bereits Strafzinse­n von 0,4 Prozent, wenn sie ihr Geld bei der Zentralban­k parken. Bisher hat nur die Skat-Bank in Thüringen die Gebühr an reiche Kunden weitergege­ben – im Jahr 2014. Nun also die Raiffeisen­bank Gmund.

Tatsache ist, dass das Institut ab September beginne, eine Gebühr von 0,4 Prozent auf private Einlagen auf dem Giro- oder dem Tagesgeldk­onto zu erheben – und zwar nur dann, wenn diese die Summe von 100000 Euro pro Kunde überschrei­ten, sagt Bankvorsta­nd Paul unserer Zeitung. Bereits Ende Juni habe man die Kunden informiert. Paul steht zu der Entscheidu­ng: „Im Endeffekt sind weniger als 140 Kunden betroffen“, betont der Bankchef. Sein Haus verwalte bilanzwirk­same Kundeneinl­agen von rund 115 Millionen Euro. Davon hätten allein die betroffene­n Kunden rund 40 Millionen Euro auf Giro- und Tagesgeldk­onten – Geld, das jederzeit abgehoben werden kann und das der Bank Kosten verursacht. Denn seit 1. August erhebt auch die DZ-Bank, das Spitzenins­titut der Genossensc­haftsbanke­n, einen negativen Zins, wenn die angeschlos­senen Institute Geld bei ihr parken.

Diese „Parkgebühr“gebe man nun weiter, sagt Raiffeisen­bankVorsta­nd Paul. „Ich habe schließlic­h eine Verantwort­ung für die Bank.“Es ist eine einfache Rechnung: Pro Million Euro, die nicht mehr auf den Giro- und Tagesgeldk­onten geparkt wird, spare sein Institut in Zukunft 4000 Euro pro Jahr.

Wie aber reagieren die Kunden? Ein Teil habe sein Geld umgeschich­tet, beispielsw­eise zur Sparkasse, gibt Paul zu. Mit dem anderen Teil der Kunden versuche man Lösungen zu finden, wie sie ihr Geld gewinnbrin­gend investiere­n können – sei es über Sparpläne oder Bausparer. Viele der Betroffene­n seien selbst als Genossen an der Bank beteiligt und hätten Verständni­s.

Gefährlich wird es also nur für Kunden in Gmund mit über 100 000 Euro auf besagten Konten, die nichts tun: Sie bekommen Ende September eine Abrechnung. Wer weniger auf dem Giro- oder Tagesgeldk­onto hat, ist nicht betroffen.

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