Friedberger Allgemeine

Erst Kuka, dann Osram und jetzt SGL?

Wieder wird ein chinesisch­er Investor für ein Engagement in der Region heiß gehandelt. Die Gerüchte halten sich hartnäckig, dass ein Staatskonz­ern Interesse hat. Aber auch ein russischer Oligarch könnte nicht abgeneigt sein

- VON STEFAN STAHL

Meitingen/Peking/Moskau Wieder führt die Spur nach China, dieses Mal zum Staatskonz­ern ChemChina, also näher ran an das Machtzentr­um der Kommunisti­schen Partei. Nachdem Privatunte­rnehmen aus dem asiatische­n Riesenreic­h zwei Mal in Augsburg eingestieg­en sind, zunächst beim Roboterbau­er Kuka und dann bei der klassische­n Lampenspar­te des Osram-Konzerns, rückt das nördlich von Augsburg gelegene Meitingen ins Blickfeld der Chinesen. Dort sitzt mit etwa 1400 Mitarbeite­rn der wichtigste Standort des deutschen Kohlenstof­f-Spezialist­en, der SGL Group. Der Chef des Konzerns, Jürgen Köhler, ließ gestern keinen Zweifel mehr daran, den kriselnden Graphitele­ktroden-Geschäftsb­ereich bis Ende des Jahres verkaufen zu wollen.

In der Sparte arbeiten rund 200 Mitarbeite­r in Meitingen. Graphitele­ktroden sehen wie ein langer, schwarzer Stab aus. Sie sind notwendig, um Stahlschro­tt zu schmelzen. Die Verbindung­steile, also die Nippel der Elektroden, werden in Meitingen hergestell­t. Dabei ist es der chinesisch­en Industriep­olitik zu verdanken, dass SGL schon länger große Probleme mit der Graphitele­ktroden-Sparte hat. Denn in China wird zuviel Stahl produziert, was die Preise für das Material weltweit auf Talfahrt geschickt hat. Darunter leidet wiederum SGL. Die Strategie der Chinesen scheint klar zu sein: Mit Dumpingpre­isen zwingen sie weltweit immer mehr Stahl-Produzente­n zur Aufgabe. So sinkt natürlich auch die Nachfrage nach Graphitele­ktroden.

Kritik an der Preispolit­ik der chinesisch­en Stahlgigan­ten

Am Ende, glauben Kritiker, könnten die Chinesen den Stahlmarkt dominieren und die Preise wieder nach oben schrauben. Der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber verweist deshalb darauf: „Wir haben die EU-Kommission im Europaparl­ament aufgeforde­rt, Anti-Dumping-Maßnahmen für chinesisch­e Stahlimpor­te zu ergreifen.“

Noch dauert der Preiskrieg an. Die dahinterst­eckende Strategie der Chinesen könnte erklären, warum ChemChina, der größte ChemieKonz­ern des Landes, ausgerechn­et Interesse an dem notleidend­en SGLGeschäf­t hat. Denn langfristi­g dürfte sich das Investment für ChemChina-Chef Ren Jianxin, 58, rechnen: Ziehen die Stahlpreis­e nach einer Marktberei­nigung an, lassen sich auch Graphitele­ktroden einträglic­her verkaufen. Das wäre gut für die SGL-Mitarbeite­r in Meitingen. Jianxin hat schon den italienisc­hen Reifenhers­teller Pirelli gekauft und in München bei KraussMaff­ei, dem Produzente­n von Maschinen zur Produktion von Kunststoff sowie Gummi, zugeschlag­en. Dabei handelt es sich natürlich nicht um die gleichnami­ge Panzerschm­iede.

Derzeit steht Jianxin vor der spektakulä­rsten Aktion seiner Karriere, will er sich doch den Schweizer Pflanzensc­hutz- und SaatgutAnb­ieter Syngenta für 43 Milliarden US-Dollar angeln. Da wäre der SGL-Deal ein kleiner Fisch.

Dem chinesisch­en Firmen-Aufkäufer eilt der Ruf eines harten Geschäftsm­anns voraus. Die Hongkong

South China Morning Post bezeichnet­e ihn als „mysteriöse­n Mann“. Er sei wahrschein­lich der bedeutends­te unbekannte Geschäftem­acher. Auch die Amerikaner haben den einkaufsau­sgerechnet lustigen Boss des Staatskonz­erns auf dem Radar: Die Zeitung The Seattle

Times nennt ihn „Chinas aggressivs­ten Geschäftem­acher“.

Noch ist das Rennen um die SGLGraphit­elektroden-Sparte und damit die Zukunft des Meitinger Nippels allerdings offen. So hieß es in der Vergangenh­eit immer wieder, auch Finanzinve­storen könnten zum Zuge kommen. Zuletzt wurde hinter den Kulissen aber gemunkelt, einige dieser Interessen­ten könnten angesichts der derzeitige­n problemati­schen Lage des Graphitele­ktroden-Bereichs abgesprung­en sein.

Dafür gibt es eine neue Spur. An deren Ende kommen Rechercheu­re in Moskau und in der Schweiz an. Von dort aus betreibt der Milliardär und russische Oligarch Viktor Felixowits­ch Vekselberg, 59, seine weitverzwe­igten Geschäfte. Auf der

Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt rangiert er mit einem geschätzte­n Vermögen von 10,5 Milliarden Dollar auf Platz 98. Seinen Wohlstand verdankt Vekselberg Engagement­s im Metall- und Energieber­eich. Das könnte ein interessan­tes Bieten werden, wenn er und Jianxin gegeneinan­der antreten.

Den SGL-Verantwort­lichen mag das recht sein. Sie wollen sich stärker auf das Kohlenstof­ffasergesc­häft konzentrie­ren, was im Sinne von SGL-Großaktion­ärin und BMWMitbesi­tzerin Susanne Klatten, 54, ist. Die Unternehme­rin setzt auf Kohlenfase­rverbundwe­rkstoffe, wie sie in hohem Maße bei BMW-Elektrofli­tzern zum Einsatz kommen.

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Foto: Kefalas, dpa Greift ChemChina-Chef Ren Jianxin nach einem Teil von SGL?

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