Da will ich auch mal hin!
TV „Kommissar Dupin“spielt in der Bretagne, die „Pilcher“-Filme in Cornwall und die „Brunetti“-Krimis in Venedig. Viele Zuschauer mögen nicht nur die TV-Produktionen, sondern auch deren Schauplätze. Die Folge: ein Tourismusboom
Vor rund dreißig Jahren machte eine neue Variante des Tourismus Schlagzeilen: Dank der „Schwarzwaldklinik“nahm die Zahl der Glottertal-Touristen um 20 Prozent zu. Heute zieht es Zuschauer auch zu weit entfernten Kino- oder Fernsehfilm-Schauplätzen. In Neuseeland hat der Tourismus von „Herr der Ringe“profitiert, in Nordirland sorgte „Game of Thrones“für einen Zuwachs von 30 Prozent.
Deutsche Urlauber begeben sich dabei vornehmlich auf die Spuren einheimischer Produktionen, die an ausländischen Drehorten entstehen oder entstanden sind. In der Bretagne beispielsweise hat die von der
ARD-Tochter Degeto in Auftrag gegebene Krimireihe „Kommissar Dupin“einen derartigen Reiseboom ausgelöst, dass französische Zeitungen dem Phänomen ganzseitige Berichte widmeten.
Im englischen Cornwall dagegen gehören deutsche Pilcher-Freunde zu den Stammgästen. Auch die schwedische Ostseeinsel Öland, wo fürs ZDF „Inga Lindström“-Filme entstehen, ist ein beliebtes Reiseziel für Fans. Das liegt an der malerischen Landschaft, die in der Reihe gezeigt wird. Und am „SchwedenFeeling“: der ganz besonderen Lebensart der Skandinavier. So mancher, der das im TV sieht, denkt sich: Da will ich auch mal hin!
Ähnliches gilt für Venedig, das jedoch auch ohne die mittlerweile 25 „Brunetti“-Romane von Donna und deren Verfilmungen keinen Mangel an Besuchern hätte. Trotzdem ist Benjamin Benedict von UFA Fiction, der die Krimis für die Degeto produziert, bei jedem Flug nach Venedig aufs Neue überrascht darüber, wie viele Passagiere ein Leon-Buch in der Hand haben. „Bei den Dreharbeiten passiert es auch immer wieder, dass Menschen uns entdecken und begeistert sind“, sagt er. An solchen Details merke man, wie stark die Wahrnehmung von Venedig mit den Romanen und den Filmen verknüpft sei.
Während man das in Venedig eher gleichmütig zur Kenntnis nimmt, hat „Kommissar Dupin“in der Bretagne seine Spuren hinterlassen. Als die Kölner Produktionsfirma Filmpool 2013 den ersten Roman über den in die Bretagne strafversetzten Pariser Polizisten verfilmt habe, da seien ihnen die Einheimischen zunächst mit Skepsis begegnet, erinnert sich Produzent Mathias Lösel. „Diese Haltung hat sich gewandelt, als in der Lokalpresse die ersten Berichte über die großen Erfolge der Romane veröffentlicht wurden und sich herausstellte, dass der Autor Jean-Luc Bannalec jedes Jahr viel Zeit in der Bretagne verbringt.“Die Örtlichkeiten, die er beschreibt, gibt es tatsächlich; die Filme entstehen nach Möglichkeit an den Originalschauplätzen.
Mit vier Millionen Zuschauern war „Bretonische Verhältnisse“im Frühjahr 2014 ein Erfolg für die
ARD. Bei den etwa zeitgleich stattfindenden Dreharbeiten zum zweiten Film, „Bretonische Brandung“, waren die Einflüsse auf den Tourismus laut Lösel bereits nicht mehr übersehbar: „Mindestens einmal am Tag ist ein Bus mit deutschen Bildungsreisenden auf den Spuren von Dupin vorbeigefahren.“Er habe das für ein vorübergehendes Phänomen gehalten, sagt Lösel. „Aber mit dem dritten Film, ‚Bretonisches Gold‘, ging es durch die Decke.“
Nach Angaben des französischen Tourismusverbands ist der Anteil deutscher Urlauber in der Bretagne in den vergangenen zwei Jahren um 60 Prozent gestiegen, was in erster Linie auf „Kommissar Dupin“zurückzuführen sei. In den InformatiLeon onsstellen für Touristen gibt es täglich Dutzende von Anfragen nach den Schauplätzen. Das hat Folgen für die Dreharbeiten. Positive. Die Deutschen durften als erstes Spielfilmteam überhaupt in einer französischen Präfektur drehen. Diese Erlaubnis war so ungewöhnlich, dass sogar die nationalen französischen TV-Nachrichten darüber berichtet haben. Der Präfekt, gleichzusetzen mit einem deutschen Ministerpräsidenten, lobte die Gäste als „Wohltäter der Bretagne“. Wohl auch, weil Filmpool dort pro Jahr einen hohen sechsstelligen Betrag ausgibt.
Wie die „Dupin“-Filme sind die Romane von Donna Leon bislang – aus filmrechtlichen Gründen – nur für die ARD verfilmt worden. Selbst bei den Verfilmungen der Romane der Britin Rosamunde Pilcher haben die Deutschen eine Art Monopol, denn deren Werke sind nirgendwo so populär wie hierzulande. „Rosamunde Pilcher“ist eine der bekanntesten Reihen im deutschen Fernsehen. Die Filme laufen erfolgreich in Frankreich und Italien – die mit Abstand meisten Pilcher-Touristen kommen allerdings aus Deutschland nach Cornwall.
Der in Münster geborene Produzent Michael Smeaton sagt: „Wir drehen seit über zwanzig Jahren in Cornwall, viele unserer Mitarbeiter haben sich dort niedergelassen und Familien gegründet.“Geschäftsleute oder Hoteliers berichten von einem großen Interesse gerade deutscher Urlauber an den Schauplätzen der Filme. Noch bis vor rund 15 Jahren stammten die meisten Cornwall-Touristen aus Großbritannien, mittlerweile sind die Deutschen vermutlich in der Mehrheit.
Viele alte Herrenhäuser könnten sich laut Smeaton nur deshalb halten, „weil wir sie als Drehorte nutzen und dafür Miete zahlen“. Später kommen Touristen, mitunter über zwei Dutzend Busladungen täglich. Sie fahren von einem Drehort zum anderen. Für seine „Verdienste“um den Tourismus wurde der frühere
ZDF-Hauptredaktionsleiter Claus Beling 2002 mit dem „British Tourism Award“ausgezeichnet.
Einziger Nachteil aus Produzentensicht: Der Tourismusboom hat zur Folge, dass Unterkünfte fürs Filmteam teurer werden. Finanzielle Erleichterungen gibt es Smeaton zufolge nicht, obwohl seine Firma in Cornwall jährlich sechs bis sieben Millionen Pfund (sieben bis über acht Millionen Euro) investiere.
Internet Gibt man in einer Suchmaschine „Auf den Spuren von ... Dupin oder Pilcher“ein, erhält man eine Vielzahl entsprechender Reiseangebote.