Lisa Unruh ist die Erste
Premiere Die Bogenschützin gewinnt Silber und schafft damit eine Premiere: Noch nie gab es eine Einzelmedaille für Deutschland
Rio de Janeiro Schon vor dem GoldFinale umarmte Bogenschützin Lisa Unruh freudestrahlend ihren Trainer. Die Berlinerin hatte bei Olympia den deutschen Bogenschützen gerade ihren größten Einzel-Erfolg beschert. Denn noch nie gab es eine Einzelmedaille. Und nun kämpfte die 28-Jährige im Finale um den Olympiasieg gegen die Südkoreanerin Chang Heyjin. Auch wenn sie das Finale ihres Lebens mit 2:6 verlor, war sie überglücklich.
„Das hätte ich mir nicht träumen lassen. Das ist der größte Moment in meinem Leben“, sagte sie. Später bei der Siegerehrung schaute die Hallen-Weltmeisterin immer wieder strahlend auf ihre Silber-Medaille. Sie wunderte sich noch immer ein wenig über ihren Coup: „Mein Ziel war es unter die Top Ten zu kommen.“Das gelang ihr ganz prima – nun wünscht sie sich einen Schub für ihren Sport: „Ich hoffe, dass jetzt viele Kinder mit dem Bogenschießen anfangen.“
Zuvor hatte sie es dort, wo sonst der Karneval durch Rios Straßen zieht, im Sambodromo so richtig krachen – auch wenn es zum ganz großen Wurf nicht reichte. Mit ihrem beigen Schlapphut auf dem Kopf verlor sie bei starkem Seitenwind den ersten Satz. Der zweite Durchgang ging dann mit 28:26 an Unruh. In ihrem kleinen Büchlein machte sie sich immer wieder Notizen. Doch Chang Heyjing, Nationalheldin in ihrer Heimat, ließ sich nicht beirren und machte alles klar.
Im Halbfinale hatte Hallen-Weltmeisterin Unruh die Mexikanerin Alejandra Valencia mit 6:2 bezwungen. Im Viertelfinale setzte sich die Bundespolizeianwärterin gegen Tan Ya-Ting aus Taiwan mit 6:5 im Stechen durch.
Schon das war bis dahin der größte Erfolg einer deutschen Bogenschützin bei Olympia. Zuletzt gab es im Teamwettbewerb 2000 in Sydney Edelmetall. Dabei ist Bogenschießen eine uralte Sportart und sehr anstrengend. „Man braucht eine starke Körperspannung und -beherrschung“, sagt Unruh. Sie sei ständig im Kraftraum, trainiere beim Schwimmen und Laufen die Ausdauer. „Die brauche ich im Wettkampf auch, um die Konzentration hochzuhalten“, sagt sie.
Erst in den vergangenen fünf Jahren war Unruh aus dem Mittelmaß bis in die Weltspitze aufgestiegen. Großen Anteil daran hatte vor allem Bundestrainer Oliver Haidn, der seit 2011 im Amt ist. Ein Mathematik-Sportlehrer, der die Grundlinien des Hochleistungssports perfekt beherrscht – und sie auch von seinen Athleten rund um die Uhr einfordert. Aber er will mehr: „Damit wir im Konzert der Großen auf Dauer mithalten können, benötigen wir ein Zentrum mit einer 70-MeterSchießhalle sowie einem Bogenschießplatz im Freien direkt daneben.“Nur so könne ganzjährig ein Training unter optimalen Bedingungen stattfinden.