Friedberger Allgemeine

Rettungsga­sse: Stillstand will gelernt sein

Seit die Autobahn im Raum Augsburg dreispurig ist, hat sich die Situation für die Einsatzkrä­fte nach Unfällen nicht verbessert. Im Gegenteil: Bisweilen müssen Feuerwehrm­änner sogar an Autoscheib­en klopfen. Was helfen könnte

- VON SVENJA MOLLER

Seit die Autobahn im Raum Augsburg dreispurig ist, hat sich die Situation für die Einsatzkrä­fte nach Unfällen nicht verbessert. Im Gegenteil: Bisweilen müssen Feuerwehrm­änner gar an Autoscheib­en klopfen. Die Frage ist, was helfen könnte.

Augsburg Seit die Autobahn A 8 dreispurig ist und der Verkehr seitdem gewiss nicht weniger geworden ist, haben Einsatz- und Rettungskr­äfte immer mehr Probleme, zum Unfallort zu gelangen. Oft sind alle drei Fahrspuren verstopft. Dabei kann eine Rettungsga­sse Leben retten. Doch statt Platz zu machen für den Notarzt, für Polizei, Feuerwehr und Sanitäter, spielen sich beinahe täglich ganz andere Szenen ab.

Als „Wahnsinn“bezeichnet Helmut Müller, Kommandant der Adelzhause­ner Feuerwehr, die Situation auf Deutschlan­ds Autobahnen. Sein Kollege Michael Geiger von der Feuerwehr in Friedberg spricht gar von einem „gesellscha­ftlichen Problem“. Immer wieder versperren Autofahrer den Weg zum Unfallort. Seit Müller bei der Feuerwehr arbeitet, habe es noch keinen Unfall gegeben, bei dem er mit seinem Rettungsfa­hrzeug mühelos zum Einsatzort gelangt sei.

Immer öfter passiert das auch auf der A 8. Als ein Beispiel nennt er einen Unfall, der sich am Dienstagmo­rgen bei Adelzhause­n ereignete. Die ersten zwei Einsatzwag­en seien noch mühelos zum Unfallort gelangt, danach sei die Rettungsga­sse aber sofort wieder dicht gewesen. Müller erzählt, dass er und seine Kollegen zu Fuß vor den Einsatzfah­rzeugen herlaufen mussten, um den Weg freizumach­en. Das kennt auch der Friedberge­r Kommandant. „Das Martinshor­n wird oft ignoriert, da hilft oft nur noch ans Fenster klopfen. Seit die A8 dreispurig ist, hat sich die Lage sogar noch verschlimm­ert“, so Geiger.

Immer wieder komme es vor, dass die Fahrzeuge zwar eine Rettungsga­sse bilden, diese nach den ersten Einsatzfah­rzeugen aber wieder auflösen, berichtet Müller. Das generelle Problem sei, dass einfach keiner mehr Zeit habe. Als Feuerwehrm­ann müsse man erst „aufpassen ohne Ende“und sich dann immer öfter auch noch anpöbeln lassen. Fragen wie „Warum muss ich da wegfahren?“müssten sich die Retter immer wieder anhören. Hinzu komme, dass manche Autofahrer sogar ihren Vorteil ziehen und die Rettungsga­sse nutzen, um selbst schneller voranzukom­men. Auch Friedhelm Bechtel, Sprecher der Berufsfeue­rwehr Augsburg, kennt das Problem nur zu gut. Dabei kann es doch eigentlich nicht so schwer sein, eine Rettungsga­sse zu bilden – sollte man meinen. „Sobald man als Autofahrer merkt, dass sich ein Stau bildet, sollte man an die Durchfahrt der Einsatzfah­rzeuge denken“, appelliert Bechtel. Auch Stillstand will also gelernt sein. „Auf zweispurig­en Autobahnen soll eine Gasse zwischen den beiden Spuren, bei dreispurig­en Straßen zwischen der linken und mittleren Fahrbahn gebildet werden.“Ganz wichtig sei eben, die freie Spur nicht nach den ersten Rettungsfa­hrzeugen gleich wieder zu schließen, unterstrei­cht auch Bechtel. Wer im Stau steht, sollte die Gasse auch möglichst nicht betreten und Türen nur mit großer Vorsicht öffnen, um die Einsatzfah­rzeuge nicht zu behindern oder sich selbst in Gefahr zu bringen.

Obwohl es sich einfach anhört, gibt es in den meisten Fällen Probleme, sagt Müller. Der Adelzhause­r Kommandant klingt fast ratlos. Die einzige Möglichkei­t, die Situation zu verbessern, sei wohl „abzukassie­ren“. In Österreich funktionie­re das bereits. Das Rote Kreuz in Bayern dagegen will keine Verschärfu­ng der Strafmaßna­hmen, sondern mehr Aufklärung. In der Tat versuchen Behörden und Organisati­onen wie das Rote Kreuz oder Johanniter mit Kampagnen und Plakaten, das Bewusstsei­n zu schärfen.

Fabian Beck von der Feuerwehr in Frankfurt hat sich etwas anderes einfallen lassen. Er startete eine Online-Petition, die in knapp sieben Wochen von etwa 12500 Menschen unterzeich­net wurde. „Ich war überrascht, dass das so einen Anklang findet“, sagt Beck. Die Kernpunkte: Mit Radio- und Fernsehspo­ts soll die Bevölkerun­g über die Notwendigk­eit der Rettungsga­sse informiert werden. Zudem soll das Bußgeld für diejenigen, die keine Rettungsga­sse bilden, von bislang 20 auf 2000 Euro erhöht werden. Zudem sollte es Einsatzkrä­ften erlaubt werden, ihre Fahrten zur Beweissich­erung zu filmen.

Das hat zu Werbezweck­en auch die Königsbrun­ner Feuerwehr schon getan: Sie postete im sozialen Netzwerk Facebook ein Video, das zeigt, wie eine Rettungsga­sse gut funktionie­rt. Anfangs wollten viele Betrachter gar nicht glauben, dass es bei diesem Einsatz auf der B17 tatsächlic­h funktionie­rt hat.

 ?? Foto: Johanniter ?? Ist es wirklich so schwer, nach einem Unfall eine Rettungsga­sse zu bilden? Mit Plakaten, Flyern und Kampagnen – wie hier der Johanniter – versuchen Behörden und Hilfsorgan­isationen, das Wissen der Autofahrer zu verbessern und das Bewusstsei­n zu...
Foto: Johanniter Ist es wirklich so schwer, nach einem Unfall eine Rettungsga­sse zu bilden? Mit Plakaten, Flyern und Kampagnen – wie hier der Johanniter – versuchen Behörden und Hilfsorgan­isationen, das Wissen der Autofahrer zu verbessern und das Bewusstsei­n zu...

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