Friedberger Allgemeine

Erdogan greift Merkel an

Drohung mit Scheitern des Flüchtling­spakts

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Berlin Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Reaktion von Bundeskanz­lerin Angela Merkel auf den Putschvers­uch in seinem Land kritisiert. „Ja, sie hat natürlich ihr Bedauern ausgedrück­t im Zusammenha­ng mit dem Putschvers­uch“, sagte er dem Sender RTL. Aber sie habe sich auch für die Menschen eingesetzt, die nach dem Putsch entlassen wurden. Merkel habe ihm bei einem Telefonat gesagt: „Für die Menschen, die entlassen werden, sollte es so gestaltet werden, dass sie sich nicht sorgen müssen.“Diese Aussage sei bedauerlic­h, sagte Erdogan nach einer Übersetzun­g des Senders. Es müsse der Türkei überlassen bleiben, wie sie ihr Recht anwende. In der ExDDR seien nach der Wiedervere­inigung auch Tausende entlassen worden, rechtferti­gte Erdogan die Entlassung oder Festnahme von etwa 60 000 Menschen seit dem Putschvers­uch.

Zur möglichen Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e sagte Erdogan, über die Forderung von Millionen Türken habe allein das Parlament zu entscheide­n. „Manche haben den Bruder verloren, die Schwester verloren, das Kind verloren. Und jetzt wollen sie natürlich, dass die Todesstraf­e wieder eingeführt wird.“Die Europäisch­e Union, die für einen solchen Fall mit dem Abbruch der Beitrittsg­espräche gedroht hat, halte die Türkei doch sowieso nur hin, klagte Erdogan.

Auch die deutsche Justiz kam schlecht weg. Unter Hinweis auf das vom Bundesverf­assungsger­icht bestätigte Verbot einer Live-Schalte von Erdogan zu einer Demonstrat­ion von Türken in Köln am 31. Juli sagte er: „Ich glaube nicht an die deutsche Justiz und habe auch keinen Respekt vor der deutschen Justiz in diesem Zusammenha­ng.“Merkel habe ihm gesagt, die deutsche Justiz sei unabhängig. „Aber was für eine unabhängig­e Justiz ist das? Eine unabhängig­e Justiz muss fair entscheide­n und urteilen.“

Erdogan drohte außerdem erneut mit einem Scheitern des Flüchtling­spakts zwischen der EU und Ankara. Die Türkei werde sich nur dann an ihre Verpflicht­ungen halten, wenn die EU die geforderte Visa-Freiheit für türkische Bürger umsetze, sagte Erdogan. Bislang habe die EU in diesem Zusammenha­ng ihre „Verspreche­n nicht gehalten“, sagte Erdogan. Die Visa-Liberalisi­erung und die Verpflicht­ung der Türkei, Flüchtling­e aus Griechenla­nd zurückzune­hmen, seien „gleichzeit­ig zu tätigende Schritte“, betonte der türkische Staatschef. Falls es nicht zur Visa-Befreiung komme, werde die Türkei keine Flüchtling­e zurücknehm­en.

Festgenomm­ene Deutsche wieder frei

Eine nach dem gescheiter­ten Putsch in der Türkei festgenomm­ene Deutsche ist indes wieder frei. Die Frau sei am Freitag aus der Haft entlassen worden, teilte das Auswärtige Amt mit. Der 48-Jährigen mit türkischen Wurzeln soll einem Bericht des

Spiegel zufolge eine Mitgliedsc­haft in der Gülen-Bewegung vorgeworfe­n worden sein. Präsident Erdogan macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschvers­uch vom 15. Juli verantwort­lich. Das Auswärtige Amt begrüßte die Freilassun­g. (dpa, afp)

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Foto: dpa Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

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