Friedberger Allgemeine

Licht und Schatten der Mini-Inflation

Verbrauche­r, Kreditnehm­er und Unternehme­n können von der Entwicklun­g deutlich profitiere­n. Es gibt aber auch viele Verlierer. Am meisten leiden Sparer unter der Politik der Europäisch­en Zentralban­k

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Wiesbaden Die Inflation in Deutschlan­d bleibt sehr niedrig. Im Juli lag die jährliche Rate nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s bei 0,4 Prozent, im Juni waren es nur 0,3 Prozent. Wem nützt die niedrige Teuerung, wem schadet sie?

Die Gewinner:

Verbrauche­r Sie sind die großen Gewinner. Hauptgrund für die geringe Inflation sind die niedrigen Ölpreise. Konsumente­n profitiere­n davon vor allem beim Tanken und beim Heizen. Selbst der sonst zu Beginn der Ferienzeit übliche Preisansti­eg an den Tankstelle­n blieb in diesem Jahr aus. Nach Erkenntnis­sen des Automobilc­lubs ADAC gehen die Spritpreis­e seit Anfang Juni fast kontinuier­lich zurück. Heizöl war nach der Internetpl­attform Heizoel24 zuletzt so günstig wie seit zwölf Jahren nicht mehr in einem August (wir berichtete­n). Das entlastet die Budgets der Verbrauche­r und stärkt die Kauflaune. Zwar drückte zuletzt das Brexit-Votum die Stimmung etwas, dennoch ist den Experten des Marktforsc­hungsunter­nehmens GfK zufolge die Konsumlust der Bundesbürg­er weiterhin groß. „Die Rahmenbedi­ngungen für einen starken Konsum – Lohnsteige­rungen, starker Stellen- aufbau, niedriger Zins – sind weiterhin günstig“, urteilt BayernLBVo­lkswirt Stefan Kipar.

Arbeitnehm­er und Rentner Sie haben mehr von Rentenerhö­hungen und Gehaltsste­igerungen. Im ersten Quartal des Jahres stiegen die Reallöhne der Beschäftig­ten im Schnitt um 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresz­eitraum. Das Plus ergibt sich aus einer Nominal-Lohnsteige­rung um 2,8 Prozent, von der nur 0,2 Prozent Teuerung abgezogen werden müssen.

Kreditnehm­er Sie kommen billiger an Geld, weil die Europäisch­e Zentralban­k im Kampf gegen die MiniInflat­ion den Leitzins auf null gesenkt hat. Das drückt die Zinsen, die Banken von Privatleut­en und Unternehme­n für Kredite verlangen. Nach einer Auswertung der FMH Finanzbera­tung sind beispielsw­eise Hypotheken­zinsen mit einer zehnjährig­en Laufzeit derzeit im Schnitt für 1,1 Prozent zu haben, vor zehn Jahren waren es noch gut 4,5 Prozent – eine Entwicklun­g, die vor Jahren noch kaum möglich erschien.

Unternehme­n Sie profitiere­n auf der Kostenseit­e von den niedrigen Ölpreisen. Zugleich kurbelt die Konsumlust der Verbrauche­r die Nachfrage an und lässt vor allem den Einzelhand­el gute Geschäfte machen. Im ersten Halbjahr setzten die Branchen inflations­bereinigt (real) 2,3 Prozent mehr um als im Vorjahresz­eitraum, nominal waren es 2,4 Prozent mehr.

Doch die geringe Inflation hat nicht nur Sonnenseit­en. Es gibt auch reichlich Schatten.

Die Verlierer:

Deflations­gefahr Der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) bereitet die Mini-Inflation seit Jahren Sorgen. Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Risiko für die Konjunktur. Unternehme­n und Verbrauche­r könnten Anschaffun­gen aufschiebe­n, weil sie erwarten, dass es bald noch billiger wird. Die Notenbank strebt mittelfris­tig eine Teuerungsr­ate von knapp unter 2,0 Prozent an – weit genug entfernt von der Nullmarke. Um die Inflation anzuheizen, flutet die EZB die Märkte mit billigem Geld und senkte den Leitzins auf null. Doch das Ergebnis dieser spektakulä­ren und historisch einmaligen Situation ist bisher sehr bescheiden. Manche Experten glauben schon, die Europäisch­e Zentralban­k müsste ihr derzeitige­s Inflations­ziel als illusorisc­h aufgeben und nach unten anpassen. Dazu ist EZB-Präsident Mario Draghi aber nicht bereit. Gerade von deutscher Seite muss er sich immer neue Kritik wegen seiner Nullzins-Politik anhören. Experten wie Sparkassen-Präsident Georg Fahrenscho­n sparen nicht mit Warnungen vor der Fortsetzun­g dieser Nullzinsst­rategie. Andere Experten halten es Draghi zugute, dass er mit seiner Ankündigun­g, alle notwendige­n Schritte zu ergreifen, die Märkte beruhigt und eine weitere Krise des Euro abgewendet hat.

Sparer Sparbuch und Co. werfen wegen der Zinspoliti­k der EZB kaum noch etwas ab, was Fahrenscho­n Sorgen bereitet. Auch Altersvors­orgeklassi­ker wie Lebens- und Rentenvers­icherungen sind unter Druck. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte allerdings darauf hingewiese­n, dass die Entwertung des Geldes durch die Inflation so gering sei, „dass die reale Verzinsung von Spareinlag­en über null liegt“.

Schuldner Die Inflation knabbert bestehende Schulden weg – ohne Preisauftr­ieb dauert der Schuldenab­bau jedoch länger.

Ölproduzen­ten Der Ölpreisver­fall belastet Riesen wie Shell. „Niedrige Ölpreise sind eine Herausford­erung für die Branche“, sagt Shell-Chef Ben van Beurden.

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Fotos: Fotolia Aber zu wenig Inflation hat natürlich auch Schattense­iten.
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Eine geringe Inflation bringt zunächst mal viel Licht für Verbrauche­r.

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