Friedberger Allgemeine

Chaos-Tage an der GfK-Spitze

Es hagelt Rücktritte bei Konsumfors­chern

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Nürnberg Er bemühte sich bis zuletzt um Optimismus. Noch in einer Erklärung vom Freitag versprach GfK-Chef Matthias Hartmann deutlich bessere Zahlen für die zweite Jahreshälf­te. So lange wollten sich viele Anleger aber wohl nicht gedulden und zogen am Vorabend die Reißleine – und damit einen Schlussstr­ich unter das GfK-Kapitel „Hartmann“. Ganz offensicht­lich auf Druck des Aufsichtsr­ats kündigte Hartmann zusammen mit Chefkontro­lleur Arno Mahlert seinen Rücktritt an. Das fünftgrößt­e Marktforsc­hungsunter­nehmen der Welt hat jetzt eine handfeste Führungskr­ise.

Es könnte Monate dauern, bis das schlingern­de Unternehme­n einen neuen Steuermann bekommt. Dass es nicht schon früher zu der Zäsur kam, offenbaren die schwierige­n Entscheidu­ngsstruktu­ren bei den GfK-Anteilseig­nern. Anders als die globalen Konkurrent­en der Nürnberger Markforsch­er hat bei der GfK ein Konglomera­t aus 550 Firmen, Verbänden, Kammern und Privatpers­onen das Sagen. Im GfKVerein zusammenge­schlossen stellen sie mit 56,46 Prozent die Mehrheit der Eigentümer.

„Das von Herrn Hartmann vorangetri­ebene Umstruktur­ierungskon­zept ist vom Aufsichtsr­at immer voll und ganz mitgetrage­n worden“, hieß es am Freitag. Nur: Die Erfolge blieben aus. Und nachdem sich – auch wegen Problemen mit einem brasiliani­schen Millionena­uftrag zur TV-Quotenmess­ung – die Rückschläg­e häuften, zog der Aufsichtsr­at die Notbremse. Die Schwierigk­eiten ließen die GfK bei sinkendem Umsatz immer stärker in die roten Zahlen rutschen, bis Ende Juni ein Konzernver­lust von 148,3 Millionen Euro aufgelaufe­n war.

Dem früheren IBM-Mann wurde die eigene Erfolglosi­gkeit zum Verhängnis. Ihm oblag es, die weltweite Expansion der GfK durch Zukäufe kleinerer Marktforsc­hungsunter­nehmen „zu konsolidie­ren“. Der Betriebswi­rt hält ferner eine stärkere Digitalisi­erung für überfällig. Statt in der Befragung von Verbrauche­rn in der Fußgängerz­one oder am Telefon sieht Hartmann die Zukunft der Verbrauche­rforschung in Online-Befragunge­n. Mehr noch: Verbrauche­r sollen künftig mittels einer Software Einblick geben, wo, wie und wann sie im Internet surfen, was sie dort suchen und kaufen.

Reformen waren nach Hartmanns Überzeugun­g angesichts großer Konkurrenz notwendig. Denn immer mehr kleine, pfiffige Start-ups bieten – in den Augen der GfK zu Dumpingpre­isen – Verbrauche­rbefragung­en an.

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