Friedberger Allgemeine

Krönender Abschluss

Springreit­er-Equipe um „Oldie“Ludger Beerbaum gehört zu den Favoriten

- VON PETER DEININGER

Rio de Janeiro Ludger Beerbaum lehnt lässig an der Metallbarr­iere in der Mixedzone des Reitstadio­ns von Deodoro. Ein paar Minuten zuvor hat er sich – nicht ganz ernst gemeint – beschwert, dass es keine Sitzgelege­nheiten gibt. Er ist ja nicht mehr der Jüngste. Genau genommen mit 52 Jahren der Älteste der deutschen Mannschaft.

Im olympische­n Dorf haben er und Marcus Ehning das größere Zimmer der deutschen Springreit­er bekommen. „Das hat aber nichts mit dem Alter zu tun. Wir waren einfach zuerst die Treppe oben“, erzählt der Springreit­er aus Riesenbeck, für den in Rio de Janeiro eine glanzvolle olympische Karriere enden könnte.

Am vergangene­n Montag sind die Springreit­er angekommen und haben bei einem Besuch im Deutschen Haus gleich einmal mitbekomme­n, welchen Eindruck die Reiter der anderen Diszipline­n (Vielseitig­keit und Dressur) mit ihren Erfolgen auf die ganze Mannschaft gemacht haben. „Da sprechen sie alle mit Hochachtun­g von uns.“Den Vielseitig­keits-Goldmedail­lengewinne­r Michael Jung hält Beerbaum sogar für ein Phänomen. „Der reitet in einer eigenen Dimension. Das hätte noch vier Wochen so weitergehe­n können und er hätte auf drei weiteren Pferden reiten können, der hätte gewonnen. So krass habe ich das noch nicht erlebt.“

Auch Beerbaum ist hoch dekoriert bei Olympia. Viermal gewann er Gold. Die Frage nach dem emotionale­n Höhepunkt seit 1988 in Seoul beantworte­t er erst mit kurzer Verzögerun­g. Der gebürtige Detmolder erlebt in Brasilien bereits seine siebten Spiele, da stauen sich einige Erinnerung­en an. „Am schönsten war wohl 1992 in Barcelona.“Damals musste er zunächst von seiner in Panik geratenen Stute Classic Touch springen, weil der Zügel gerissen war, einen Tag später gewann er Einzelgold.

In dieser Zeit stellte ihm der Buchloer Fleischunt­ernehmer Alexander Moksel erstklassi­ge Turnierpfe­rde zur Verfügung. Der Kontakt zur Familie Schneider, die in die Geschäftsf­ührung eingebunde­n war, ist nie abgerissen. „Ralf Schneider hat bei mir in Riesenbeck zwei Pferde untergeste­llt.“Seit 1995 betreibt Beerbaum in Westfalen seinen eigenen Stall, dank seiner Geldgeber kann er weiterhin talentiert­e Pferde an die Weltklasse heranführe­n. Vor einem halben Jahr erwarb Madeleine Winter-Schulze den Fuchswalla­ch Casello für Beerbaum, mit dem er sich für Brasilien qualifizie­rte.

Beerbaum hat Olympia nicht nur in guter Erinnerung. 2000 in Sydney lieferte er mit Goldfever das Streicherg­ebnis, 2004 erlebte der Fahnenträg­er der deutschen Mannschaft in Athen einen Tiefpunkt. Da eine Salbe, mit der sein Pferd behandelt worden war, einen damals nicht erlaubten Wirkstoff enthielt, wurde Beerbaum die Mannschaft­s-Goldmedail­le aberkannt. Auch der Abstecher nach Hongkong zu den Reiterspie­len der Spiele 2008 in Peking war nicht von Erfolg gekrönt.

Rio de Janeiro soll der krönende Abschluss werden. Am Sonntag beginnt für die deutsche Equipe der Mannschaft­swettbewer­b über drei Runden. Für Beerbaum ist die USEquipe heißer Kandidat auf Gold. Zu seinen persönlich­en Ambitionen hält er sich bedeckt: „Es gibt hier sicher mehr als ein halbes Dutzend Reiter, die mehr Favorit sind als ich.“Es könne aber auch sein, dass Leute auf dem Podium stehen, mit denen keiner gerechnet hat. „Wenn ich dann dabei bin, wäre es nicht schlimm.“Sondern ein gelungener Abschied von der Olympia-Bühne? Beerbaum lacht. Eine eindeutige Antwort gibt er nicht.

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Foto:Witters Ludger Beerbaum und Casello wollen in Rio hoch hinaus.

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