Der blasse Referent
Reiner Erben ist für Integration zuständig. In der Debatte mit den türkischen Demonstranten hat er nichts erreicht. Viele meinen: Sonst auch nicht. Der Grünen-Politiker gibt Kontra
Manchmal fragen Reiner Erben sogar die eigenen Parteifreunde: Du bist doch jetzt für Integration zuständig, warum machst du da nicht mehr? In der Tat hat sich bei dem Thema in Augsburg seit Erbens Amtsantritt nicht viel getan. Zuletzt prallten auch noch die Fronten zwischen Deutschen und Türken nach der Pro-ErdoganDemonstration aufeinander. Erbens Gespräch mit den Verantwortlichen verlief mehr oder weniger ergebnislos. „Auf wirkliches Verständnis bin ich nicht gestoßen.“Oberbürgermeister Kurt Gribl redete den Türken daraufhin persönlich ins Gewissen. Ergebnisse brachte das zwar auch nicht, doch der CSU-OB habe – sicher auch mit Blick auf seine Wählerschaft – klare Kante gezeigt, Grünen-Politiker Erben sei dagegen zu weich, um sich durchzusetzen, hieß es danach. Erben meint: „Herr Gribl hat als Oberbürgermeister eine andere Autorität. Meine Aufgabe ist es, Kontakt zu halten, nicht Türen zuzuschlagen.“Ein wichtiger Kontakt allerdings, das mühsam eingerichtete Islamforum, in dem man das Thema hätte besprechen können, ist eingeschlafen, der Integrationsbeirat eine derartige Niete, dass man Jahre brauchte, um seine Neuordnung in die Wege zu leiten. Das immerhin ließe sich als Erfolg verbuchen, wenn es nicht ein Trauerspiel wäre.
Es fehle dem Referenten Erben an Zielen, Struktur, Elan und Durchsetzungsvermögen, kritisieren verschiedene Insider. Ein Politiker sagt: „Menschlich ist er top, aber der schwächste Referent der Stadtregierung. Er bleibt blass.“
Teils ist das in der Persönlichkeit des 58-Jährigen begründet. Der große Redner ist er nicht, im Umgang mit Menschen eher sperrig, bei Veranstaltungen hält er sich oft am Rand. Als Grünen-Fraktionschef in der Opposition machte er sich gut. Hat ihn also der Wechsel zum „Stadtminister“überfordert – noch dazu mit einem Mehrfachreferat Umwelt/Nachhaltigkeit/Integration gration? Als die Stadtregierung nach der Wahl die Grünen als kleinsten Koalitionspartner mit ins Boot holte, mussten diese einen Referentenposten bekommen. Da blieb nur Umwelt. Einen Integrationsreferenten hatte es in Augsburg nie gegeben, das Thema lag beim Oberbürgermeister, der es jedoch wegen seiner vielen anderen Aufgaben loswerden wollte. Und loswerden wollte man wohl auch den bisherigen CSU-Umweltreferenten Rainer Schaal, der mit Integration wenig am Hut hatte. Also ging die Kombination Umwelt/Integration an Erben, der als Politologe und Geschäftsführer des Vereins Tür an Tür als Experte galt. Asyl, zuvor überhaupt kein städtisches Thema, wurde dem Sozialreferat angegliedert, das Friedensbüro blieb im Kulturreferat. Zwei Jahre später wird Erben in der Öffentlichkeit als Umweltreferent gesehen, mit Inte- bringt ihn keiner in Verbindung.
Tatsächlich sei die Aufgabenverteilung etwa drei Viertel Umwelt/ Nachhaltigkeit, ein Viertel Integration, sagt er selber. Für letztere musste er erst Strukturen aufbauen. Die Abteilung mit dem bezeichnend umständlichen Titel „Büro für Integration, Migration und Vielfalt“begann mit drei Mitarbeitern, mittlerweile sind es 13. Die zähe Übernahme der Kresslesmühle band viele Ressourcen, inklusive die der neuen Leiterin Margret Spohn. Diese kennt sich mit der Thematik unbestritten gut aus, viele sehen sie in der Praxis jedoch als zu intellektuell und umständlich. Erben hält große Stücke auf sie und schreibt ihr auch die Erfolge auf seiner Jahresbilanz zu, das Programm interkulturelle Öffnung der Stadtverwaltung zum Beispiel und ein Projekt, das Initiativen und Organisationen rund ums Thema Integration erfassen und ein Handbuch erarbeiten soll. Erst einmal Ordnung in den Wust zu bringen, ist sicher sinnvoll, aber passiert dann auch mal was? Ohnehin hatte die Stadt das Thema jahrelang schleifen lassen, speziell mit den Türken fuhr man lange einen Kuschelkurs.
Erben kontert. „Ich könnte in der nächsten Stadtratssitzung ein Integrationskonzept vorlegen, aber was würde das bringen?“Es soll aber bis Ende 2017 weitestgehend fertig sein, weil dann die EU-Förderung für das Projekt Willkommens- und Anerkennungskultur in Augsburg ausläuft. Dafür fließen 900 000 Euro Projektgelder an die Stadt und Partnerorganisationen. Ein Erfolg, der allerdings auf Spohns Vorgänger Matthias Garte zurückgeht, der die Fördergelder beantragt hat.
Während Erben als Umweltreferent schon eine Pressekonferenz zur Pflanzung eines Baumes am Elias-Holl-Platz anberaumte, bleiben seine Aktivitäten im Bereich Integration, so sie denn stattfinden, weitestgehend verborgen. Kein Wunder, dass sich Zweifel einschleichen, ob es sie überhaupt gibt. Erben sagt, er wolle sich nicht profilieren, sondern das Thema voranbringen. Und er sagt, er wisse, dass das riskant sei im Hinblick auf die Kommunalwahl. Ein Insider sagt: „Ihm fehlt jeder politische Instinkt.“
„Menschlich top, als Referent schwach.“