Betrunkener greift willkürlich Passanten an
Job weg, Frau weg, zu viel Alkohol: Die Geschichte eines geplatzten Traumes
Sein Traum von einem besseren Leben im Westen war wahr geworden. Er hatte einen guten Job, eine kleine Wohnung in Pfersee, in der er mit seiner Frau und seinem kleinen Kind lebte. Doch dann, Anfang Januar 2013, brach für den polnischen Staatsangehörigen diese kleine, heile Welt in sich zusammen. Seine Frau war mit seinem Kind ausgezogen und verschwunden. Jan (Name geändert) begann zu trinken, ersäufte seinen Kummer regelrecht in Wodka, ging nicht mehr zur Arbeit, verlor den Job und später dann auch noch die Wohnung. Und rastete betrunken aus, attackierte völlig fremde Passanten, lieferte sich mit der Polizei eine waghalsige Verfolgungsjagd, bei der er auch auf einen Beamten zufuhr, der sich gerade noch retten konnte. Jetzt, mehr als drei Jahre später, arbeitete ein Schöffengericht unter Vorsitz von Ulrike Ebel-Scheufele diese kurze kriminelle Lebensperiode des gelernten Zimmermannes auf.
Jan hatte sich damals in sein Heimatland abgesetzt und später in Österreich einen neuen Job gefunden. Mit zwei Haftbefehlen war er gesucht worden. Als er nun Mitte Juli bei Kiefersfelden die Grenze zu Deutschland passieren wollte, wurde er im Zuge der derzeit verschärften Kontrollen festgenommen. Seitdem saß er in Haft. „Ich war damals total am Boden, nachdem mich meine Frau verlassen hatte. Da habe ich zu trinken begonnen“, begründet Jan (Verteidiger: Frank Thaler) jetzt seine Ausraster an jenem Tag im Februar 2013.
Da hatte er 2,3 Promille im Blut, als er in der Leitershofer Straße in Pfersee wie aus heiterem Himmel völlig grundlos einen wildfremden Radler angriff, der an einer Ampel wartete. „Er rempelte mich an, riss mich dann vom Rad und trat mir mit dem Fuß ins Gesicht“, schilderte das Opfer, 29, als Zeuge diese Attacke. Nur zehn Minuten später war ein Familienvater, 46, die Zielscheibe. Jan ging hinterrücks auf den Passanten los, trat ihm ins Kreuz. Doch der Angegriffene, ein aktiver Rotkreuzarzt, rang den Betrunkenen kurzerhand zu Boden, hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Zwei Monate später setzte er sich mit 1,65 Promille im Blut ans Steuer seines Autos. Es war nachts 1 Uhr, als einer Streife der Autobahnpolizei der Pkw mit polnischem Kennzeichen auf der B17 auffiel. Jan war zu schnell unterwegs, fuhr Schlangenlinien. Die Streife wollte ihn aufhalten. Doch Jan gab Gas, bog zur Leitershofer Straße ab, flüchtete mit bis zu 130 Stundenkilometern.
An einer Verkehrsinsel gelang es der Polizei, den Wagen zu stoppen. Ein Beamter: „Ich stieg aus, ging auf das Auto zu. Ich stand schon im Scheinwerferlicht, als der Fahrer Vollgas gab, die Reifen drehten durch. Er fuhr genau auf mich zu. Ich konnte noch zur Seite springen, sonst wäre ich auf die Motorhaube geflogen.“Nach einer weiteren Verfolgungsjagd gab Jan schließlich auf, wurde festgenommen. Im Gerichtssaal entschuldigte sich der Angeklagte, der einen positiven Eindruck hinterließ, ernsthaft bei allen Beteiligten.
Weder vor seiner schwierigen Lebensphase noch in den nunmehr drei Jahren danach war er noch einmal straffällig geworden. Das Gericht verurteilte ihn wegen Trunkenheit, Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Bewährungsstrafe von 21 Monaten - wie es auch Staatsanwältin Julia Scholz gefordert hatte. Er nahm das Urteil an und kam wieder auf freien Fuß.
In Österreich will er wieder bei seiner alten Firma arbeiten. Dort leben inzwischen auch seine Frau und sein Kind.