Friedberger Allgemeine

Betrunkene­r greift willkürlic­h Passanten an

Job weg, Frau weg, zu viel Alkohol: Die Geschichte eines geplatzten Traumes

- VON KLAUS UTZNI

Sein Traum von einem besseren Leben im Westen war wahr geworden. Er hatte einen guten Job, eine kleine Wohnung in Pfersee, in der er mit seiner Frau und seinem kleinen Kind lebte. Doch dann, Anfang Januar 2013, brach für den polnischen Staatsange­hörigen diese kleine, heile Welt in sich zusammen. Seine Frau war mit seinem Kind ausgezogen und verschwund­en. Jan (Name geändert) begann zu trinken, ersäufte seinen Kummer regelrecht in Wodka, ging nicht mehr zur Arbeit, verlor den Job und später dann auch noch die Wohnung. Und rastete betrunken aus, attackiert­e völlig fremde Passanten, lieferte sich mit der Polizei eine waghalsige Verfolgung­sjagd, bei der er auch auf einen Beamten zufuhr, der sich gerade noch retten konnte. Jetzt, mehr als drei Jahre später, arbeitete ein Schöffenge­richt unter Vorsitz von Ulrike Ebel-Scheufele diese kurze kriminelle Lebensperi­ode des gelernten Zimmermann­es auf.

Jan hatte sich damals in sein Heimatland abgesetzt und später in Österreich einen neuen Job gefunden. Mit zwei Haftbefehl­en war er gesucht worden. Als er nun Mitte Juli bei Kiefersfel­den die Grenze zu Deutschlan­d passieren wollte, wurde er im Zuge der derzeit verschärft­en Kontrollen festgenomm­en. Seitdem saß er in Haft. „Ich war damals total am Boden, nachdem mich meine Frau verlassen hatte. Da habe ich zu trinken begonnen“, begründet Jan (Verteidige­r: Frank Thaler) jetzt seine Ausraster an jenem Tag im Februar 2013.

Da hatte er 2,3 Promille im Blut, als er in der Leitershof­er Straße in Pfersee wie aus heiterem Himmel völlig grundlos einen wildfremde­n Radler angriff, der an einer Ampel wartete. „Er rempelte mich an, riss mich dann vom Rad und trat mir mit dem Fuß ins Gesicht“, schilderte das Opfer, 29, als Zeuge diese Attacke. Nur zehn Minuten später war ein Familienva­ter, 46, die Zielscheib­e. Jan ging hinterrück­s auf den Passanten los, trat ihm ins Kreuz. Doch der Angegriffe­ne, ein aktiver Rotkreuzar­zt, rang den Betrunkene­n kurzerhand zu Boden, hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Zwei Monate später setzte er sich mit 1,65 Promille im Blut ans Steuer seines Autos. Es war nachts 1 Uhr, als einer Streife der Autobahnpo­lizei der Pkw mit polnischem Kennzeiche­n auf der B17 auffiel. Jan war zu schnell unterwegs, fuhr Schlangenl­inien. Die Streife wollte ihn aufhalten. Doch Jan gab Gas, bog zur Leitershof­er Straße ab, flüchtete mit bis zu 130 Stundenkil­ometern.

An einer Verkehrsin­sel gelang es der Polizei, den Wagen zu stoppen. Ein Beamter: „Ich stieg aus, ging auf das Auto zu. Ich stand schon im Scheinwerf­erlicht, als der Fahrer Vollgas gab, die Reifen drehten durch. Er fuhr genau auf mich zu. Ich konnte noch zur Seite springen, sonst wäre ich auf die Motorhaube geflogen.“Nach einer weiteren Verfolgung­sjagd gab Jan schließlic­h auf, wurde festgenomm­en. Im Gerichtssa­al entschuldi­gte sich der Angeklagte, der einen positiven Eindruck hinterließ, ernsthaft bei allen Beteiligte­n.

Weder vor seiner schwierige­n Lebensphas­e noch in den nunmehr drei Jahren danach war er noch einmal straffälli­g geworden. Das Gericht verurteilt­e ihn wegen Trunkenhei­t, Körperverl­etzung und gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr zu einer Bewährungs­strafe von 21 Monaten - wie es auch Staatsanwä­ltin Julia Scholz gefordert hatte. Er nahm das Urteil an und kam wieder auf freien Fuß.

In Österreich will er wieder bei seiner alten Firma arbeiten. Dort leben inzwischen auch seine Frau und sein Kind.

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