Friedberger Allgemeine

Warum das Spectrum neue Wohnungen fürchtet

An der Ulmer Straße will die städtische WBG drei neue Häuser errichten. Die Chefs des Clubs nebenan verweigern bisher die Zustimmung, weil sie ihre Existenz in Gefahr sehen. Dabei geht es nicht um Musiklärm

- VON ANDREA BAUMANN

Seit langem ist Passanten die „Wildnis“an der Kreuzung Ulmer/Neusässer Straße ein Dorn im Auge. Seit dem Abbruch des Unternehme­ns Linde (Industrieg­ase und Kühlsystem­e) vor mehr als zehn Jahren liegt das rund 4000 Quadratmet­er große Grundstück zwischen SpectrumCl­ub und Friedhof brach. Groß war die Freude daher im Stadtteil, als die städtische Wohnungsba­ugesellsch­aft (WBG) das Areal erwarb: „Wir bauen Servicehau­s Mietwohnun­gen“, verkündet ein Transparen­t an der Mauer zur Ulmer Straße seit einigen Jahren. Doch dahinter kann sich die Natur immer noch frei entfalten.

Nach den Planungen der WBG hätten im Zentrum des alten Kriegshabe­rs längst die Bagger anrücken sollen. Doch die Baugenehmi­gung für die drei Häuser mit Büros und insgesamt 26 Wohnungen steht immer noch aus. Grund ist eine fehlende Unterschri­ft. Die direkten Nachbarn des Neubauproj­ekts, die Spectrum-Chefs Ufuk Aykut und Michael Klein, verweigern diese, weil sie um die Existenz ihres Lokals fürchten. „Das wäre das Todesurtei­l. Wenn sich der erste Mieter beschwert, müssen wir schließen“, sind sie überzeugt.

Bislang kommt das Spectrum, in dem an rund 200 Abenden im Jahr Discoparty­s oder Konzerte mit insgesamt rund 100 000 Besuchern stattfinde­n, gut mit der Nachbarsch­aft klar. In unmittelba­rer Nähe des Clubs wohnt niemand. Als im vergangene­n Jahr wegen des LindeBauvo­rhabens Lärmmessun­gen stattfande­n, wurden jedoch die für Wohnbebauu­ng zulässigen Grenzwerte überschrit­ten. Als Problem stellte sich nicht nur der Schallpege­l im Club heraus. Auch die Gespräche der Gäste vor dem Lokal oder in der sogenannte­n Raucherzon­e zum Linde-Areal hin waren lauter als nach 22 Uhr zulässig. „Bei maximal 45 Dezibel darf hier keiner lachen“, sagt Spectrum-Geschäftsf­ührer Michael Klein.

Er und sein Kompagnon Aykut sind überzeugt, das Schallschu­tzproblem im Inneren des Clubs in den Griff zu bekommen – etwa durch Schleusen. Problemati­scher seien die Gäste, die sich zum Rauchen oder Luftschnap­pen im Freien aufhielten. Denn nach den Planungen grenze eines der WBG-Häuser unmittelba­r an diese Zone. „Das ist einfach zu nah dran, da ist Ärger programmie­rt.“Die Wohnbebauu­ng sollte aus Sicht der SpectrumIn­haber deshalb weiter weg vom Club rücken. Generell gegen das Vorhaben, so betonen sie, seien sie nicht: „Wir wollen ja auch, dass es hier schön wird.“

Das will auch die WBG mit ihrem Geschäftsf­ührer Mark Dominik Hoppe. „Wir sind mit unserem Architekte­n dabei, eine Lösung für den Raucherber­eich zu erarbeiten, damit das Spectrum weitermach­en kann und wir bauen können.“Einen entspreche­nden Unterstand zu schaffen, der die verschiede­nen Auflagen erfüllt, sei nicht einfach. Zu den Behördenau­flagen zählt auch, dass sich bei den Neubauten die Fenster zum Spectrum hin nicht öffnen lassen. Es handle sich dabei nicht um Wohn- oder Schlafräum­e. Ohnehin seien in dem Haus zur Ulmer Straße hin überwiegen­d gewerblich­e Mieter (unter anderem Mehrgenera­tionentref­f und Sozialdien­st) vorgesehen, so Hoppe.

Der WBG-Chef räumt ein, dass der Aufwand für das Bauvorhabe­n mit insgesamt nur 26 Wohnungen neben den Büroeinhei­ten riesig sei. Kalkuliert wird mit Kosten in Höhe von 9,1 Millionen Euro inklusive Grundstück­serwerb und Außenanlag­en. Dafür verschwind­e aber nicht nur eine Brache und es werde Wohnraum geschaffen, sagt Hoppe. Teil des Bauvorhabe­ns sind auch zwei Wegeverbin­dungen von der Ulmer Straße zum Friedhof. Damit verkürzen sich die Wege für viele Besucher erheblich.

Die Planungen für die Bebauung der Brachfläch­e reichen in die Zeit von Hoppes Vorgänger Edgar Mathe zurück. Unter anderem hatte sich Oberbürger­meister Kurt Gribl, der aus Kriegshabe­r stammt, in die Verhandlun­gen mit der Firma Linde eingeklink­t. Ursprüngli­ch sollten in das Gebäude zur Ulmer Straße hin Wohngruppe­n für Menschen mit Behinderun­g einziehen. Doch nachdem sich der Verein Lebenshilf­e als Träger zurückgezo­gen hatte, fand die WBG mit dem städtische­n Sozialdien­st und dem Mehrgenera­tionentref­f neue Mieter. Wann diese und die neuen Bewohner einziehen, steht noch in den Sternen. Zunächst braucht es noch Unterschri­ften, damit auf dem Linde-Areal gebaut werden darf.

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Foto: Annette Zoepf Das Areal neben dem Spectrum liegt schon lange brach. Wegen der geplanten Bebauung fürchtet der Club um seine Existenz.

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