Warum das Spectrum neue Wohnungen fürchtet
An der Ulmer Straße will die städtische WBG drei neue Häuser errichten. Die Chefs des Clubs nebenan verweigern bisher die Zustimmung, weil sie ihre Existenz in Gefahr sehen. Dabei geht es nicht um Musiklärm
Seit langem ist Passanten die „Wildnis“an der Kreuzung Ulmer/Neusässer Straße ein Dorn im Auge. Seit dem Abbruch des Unternehmens Linde (Industriegase und Kühlsysteme) vor mehr als zehn Jahren liegt das rund 4000 Quadratmeter große Grundstück zwischen SpectrumClub und Friedhof brach. Groß war die Freude daher im Stadtteil, als die städtische Wohnungsbaugesellschaft (WBG) das Areal erwarb: „Wir bauen Servicehaus Mietwohnungen“, verkündet ein Transparent an der Mauer zur Ulmer Straße seit einigen Jahren. Doch dahinter kann sich die Natur immer noch frei entfalten.
Nach den Planungen der WBG hätten im Zentrum des alten Kriegshabers längst die Bagger anrücken sollen. Doch die Baugenehmigung für die drei Häuser mit Büros und insgesamt 26 Wohnungen steht immer noch aus. Grund ist eine fehlende Unterschrift. Die direkten Nachbarn des Neubauprojekts, die Spectrum-Chefs Ufuk Aykut und Michael Klein, verweigern diese, weil sie um die Existenz ihres Lokals fürchten. „Das wäre das Todesurteil. Wenn sich der erste Mieter beschwert, müssen wir schließen“, sind sie überzeugt.
Bislang kommt das Spectrum, in dem an rund 200 Abenden im Jahr Discopartys oder Konzerte mit insgesamt rund 100 000 Besuchern stattfinden, gut mit der Nachbarschaft klar. In unmittelbarer Nähe des Clubs wohnt niemand. Als im vergangenen Jahr wegen des LindeBauvorhabens Lärmmessungen stattfanden, wurden jedoch die für Wohnbebauung zulässigen Grenzwerte überschritten. Als Problem stellte sich nicht nur der Schallpegel im Club heraus. Auch die Gespräche der Gäste vor dem Lokal oder in der sogenannten Raucherzone zum Linde-Areal hin waren lauter als nach 22 Uhr zulässig. „Bei maximal 45 Dezibel darf hier keiner lachen“, sagt Spectrum-Geschäftsführer Michael Klein.
Er und sein Kompagnon Aykut sind überzeugt, das Schallschutzproblem im Inneren des Clubs in den Griff zu bekommen – etwa durch Schleusen. Problematischer seien die Gäste, die sich zum Rauchen oder Luftschnappen im Freien aufhielten. Denn nach den Planungen grenze eines der WBG-Häuser unmittelbar an diese Zone. „Das ist einfach zu nah dran, da ist Ärger programmiert.“Die Wohnbebauung sollte aus Sicht der SpectrumInhaber deshalb weiter weg vom Club rücken. Generell gegen das Vorhaben, so betonen sie, seien sie nicht: „Wir wollen ja auch, dass es hier schön wird.“
Das will auch die WBG mit ihrem Geschäftsführer Mark Dominik Hoppe. „Wir sind mit unserem Architekten dabei, eine Lösung für den Raucherbereich zu erarbeiten, damit das Spectrum weitermachen kann und wir bauen können.“Einen entsprechenden Unterstand zu schaffen, der die verschiedenen Auflagen erfüllt, sei nicht einfach. Zu den Behördenauflagen zählt auch, dass sich bei den Neubauten die Fenster zum Spectrum hin nicht öffnen lassen. Es handle sich dabei nicht um Wohn- oder Schlafräume. Ohnehin seien in dem Haus zur Ulmer Straße hin überwiegend gewerbliche Mieter (unter anderem Mehrgenerationentreff und Sozialdienst) vorgesehen, so Hoppe.
Der WBG-Chef räumt ein, dass der Aufwand für das Bauvorhaben mit insgesamt nur 26 Wohnungen neben den Büroeinheiten riesig sei. Kalkuliert wird mit Kosten in Höhe von 9,1 Millionen Euro inklusive Grundstückserwerb und Außenanlagen. Dafür verschwinde aber nicht nur eine Brache und es werde Wohnraum geschaffen, sagt Hoppe. Teil des Bauvorhabens sind auch zwei Wegeverbindungen von der Ulmer Straße zum Friedhof. Damit verkürzen sich die Wege für viele Besucher erheblich.
Die Planungen für die Bebauung der Brachfläche reichen in die Zeit von Hoppes Vorgänger Edgar Mathe zurück. Unter anderem hatte sich Oberbürgermeister Kurt Gribl, der aus Kriegshaber stammt, in die Verhandlungen mit der Firma Linde eingeklinkt. Ursprünglich sollten in das Gebäude zur Ulmer Straße hin Wohngruppen für Menschen mit Behinderung einziehen. Doch nachdem sich der Verein Lebenshilfe als Träger zurückgezogen hatte, fand die WBG mit dem städtischen Sozialdienst und dem Mehrgenerationentreff neue Mieter. Wann diese und die neuen Bewohner einziehen, steht noch in den Sternen. Zunächst braucht es noch Unterschriften, damit auf dem Linde-Areal gebaut werden darf.