Friedberger Allgemeine

Der Profi lässt sich von leeren Tischen nicht schrecken

Bevor die Partybands der Jugend einheizen, spielt Alleinunte­rhalter Manfred Leiprecht im Zelt

- VON SEBASTIAN MAYR

Friedberg In der ersten Reihe stehen junge Leute auf den Bierbänken und singen, einer schwenkt eine Fahne. Auf der Bühne spielen fünf Männer mit roten Westen den Festzeltkl­assiker „Fürstenfel­d“. Es ist 22 Uhr und für einen Abend unter der Woche recht voll im Zelt auf dem Friedberge­r Volksfest. Sieben Stunden früher hat Manfred Leiprecht das gleiche Lied schon einmal gespielt.

Leiprechts begeistert­e Zuhörerinn­en sitzen in der vierten Tischreihe, sie klatschen und bewegen sich zum Takt. Neben dem Tisch, an dem die Bedienunge­n Pause machen, sind vielleicht zehn weitere besetzt. „Meiner Meinung nach der beste Bierzeltti­tel, der jemals geschriebe­n wurde“, spricht der Alleinunte­rhalter ins Mikrofon, bevor er mit dem Akkordeon ansetzt.

Die Klassiker gehen am besten im Festzelt. Das weiß Leiprecht aus Erfahrung und die ist 50 Jahre lang. Der 64-Jährige, im früheren Leben Verkaufsle­iter im Außendiens­t, ist seit 1999 Berufsmusi­ker und schon viel länger bei Festen und Feiern unterwegs. „Top-Livemusik“steht auf der Tafel, die er an seinem Keyboard befestigt hat. Der Alleinunte­rhalter spielt bei Geburtstag­sfeiern, Hochzeiten, Gartenpart­ys, Schifffahr­ten. Und tagsüber im Bierzelt, das mittags an guten Tagen zur Hälfte gefüllt ist.

Für wen und für wie viele er dort spielt, weiß Leiprecht erst beim Auftritt selbst. Das Alter der Gäste beginne bei 35, nach oben sei es offen, sagt er. Nachmittag­s kommen es oft sehr wenig Besucher. Wenn es zu warm ist, will keiner drinnen sitzen. Wenn das Wetter schlecht ist, bleiben die Leute gleich zu Hause.

Leiprecht macht das nichts aus. „Das ist eine Profi-Geschichte“, sagt er. Man müsse darüber stehen, dass manchmal fast keiner zuhöre. Einmal, erinnert er sich der heute 64-Jährige, hat er einen ganzen Nachmittag im komplett leeren Binswanger-Zelt auf dem Plärrer gespielt. Wegen des Wetters war keiner auf das Volksfest gekommen.

Wenn Leiprecht gebucht wird, spielt er. Tage, an denen er keine Lust darauf hat, kennt er nicht. Natürlich mache es mal mehr und mal weniger Freude, räumt er ein. Aber das sei ja in jedem Beruf so. An diesem Nachmittag unterbrich­t er die Musik nur kurz für ein Gespräch. Auftritt ist Auftritt, außerdem ist Publikum da, das ihm zuhören will. Zwei ältere Frauen verabschie­det er mit Handschlag und Küsschen.

Leiprecht schätzt Rock ’n’ Roll, Boogie und Blues am meisten. Wenn er auftritt, spielt er, was die Leute hören wollen. Was das ist, entscheide­t der Alleinunte­rhalter nach einem Blick ins Publikum – oder das Publikum entscheide­t selbst. Leiprecht erfüllt fast jeden Musikwunsc­h. „Wenn es nicht gerade das Warschauer Konzert in asMoll ist“, witzelt er. Mehr als 1000 Stücke fasse sein Repertoire, sagt Leiprecht. Manchmal komme jede Woche ein neues Lied dazu. Nur Rap und House spielt er nicht. „Dafür bin ich nicht der Typ, das wäre unglaubwür­dig“, findet Leiprecht.

Etwa 150 Auftritte im Jahr hat Leiprecht, darunter vier Tage im Friedberge­r Festzelt. Es sind Heimspiele für den Mann, der in Diedorf lebt und schon seit mehr als zwei Jahrzehnte­n in dem Zelt auftritt. Einmal wird er noch spielen: am Montag, zum Abschluss des Friedberge­r Volksfests.

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Foto: Sebastian Mayr Manfred Leiprecht spielt Akkordeon, Keyboard und Klavier und hat 50 Jahre Bühnenerfa­hrung, davon knapp 20 als Profi.

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