Die Frage der Woche Olympia gucken?
Natürlich, es gibt ja immer so viel Sinnvolleres, um die Lebenszeit zu füllen, als fern zu sehen. Echtes Erleben, Natur, Hobbys, Mitmenschen und so. Dass der Deutsche im Schnitt trotzdem vier Stunden täglich glotzt, mag man bedenklich finden – zumal er ja nicht nur Anspruchsvolles auf Arte und Aufklärendes auf ZDF info guckt. Der Mensch will halt unterhalten sein. Und damit, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer schalten wir von irgendeinem Tatort, irgendeinem Talk, irgendeiner Rateshow oder irgendeiner Soap um zu den Olympischen Spielen in Rio.
Gerade weint der Tennis-Millionär und Weltranglisten-Erste, Roger Federer, weil er sensationell ausgeschieden ist, aus der Traum vom Gold. Ach, wollen Sie nicht sehen? Wegen Doping, Zika, Korruption? Ähm, ja gleich können wir diskutieren, wann die Spiele ihre Glaubwürdigkeit… Aber jetzt weint auch noch Dauersieger Michael Phelps. Uh, Horrorsturz der niederländischen Radfahrerin! Und ach, Drama um den Kreuzbandriss des einen deutschen Turners und Drama um die Nervosität des anderen, der einen waghalsigen, von ihm erfundenen Sprung… Ach so, interessiert sie ja nicht. Das IOC. Von wegen Werte und so… Aber jetzt kommt doch das Finale der Bogenschützen – und dann Turmspringen. Ihr ganzes Leben stimmen Menschen auf diese Momente ab, im Schatten der fußballfixierten Öffentlichkeit. Sie kämpfen, überwinden Verletzungen, merzen diese und jene Schwäche mühsam aus. Und dann, plötzlich vor den Augen der Welt: ein Ring zu wenig, ein Spritzer zu viel. Unfassbar! Echte Menschen, echte Leben, Dramen und Triumphe. Langweilig? Mitunter, ja, wie das Leben eben. Drum klar, schalten Sie doch zurück auf Tatort und Soap. Da ist ja alles in Ordnung. Weil erfunden.
Wie war das, die Russen dürfen nicht teilnehmen an den Spielen? Doch. Nur wenn sie behindert sind, dürfen sie nicht. Und die Kenianer – wurde denen nicht auch Doping nachgewiesen? Sind dabei, war ja kein Staatsdoping… Wer, bitte, blickt da noch durch, soll sich freuen mit jenen, die auf dem Treppchen stehen? Wenn unklar ist, ob die auch „sauber“sind? Vielleicht sind sie ja nur schlau genug, sich nicht erwischen zu lassen. Wer weiß das schon.
Zu allem Überdruss hat sich der normalerweise beste Ehemann von allen rechtzeitig zu Beginn der Spiele in einen Zweckpessimisten verwandelt, der insgeheim hofft, die Realität werde seine steten Unkenrufe „Das wird wieder nichts! Wir kriegen wieder nur Blech!“Lügen strafen. Dann sitzt man abends vor der Glotze und beobachtet äußerlich sehr asynchrone Männer beim Versuch, absolut synchron ins Wasser zu springen. Sprung – und platsch. Sprung – und platsch. Manchmal „verkantet“ein Sprung beim Eintauchen, manchmal steht er „senkrecht im Wasser“. Aber ein Platsch gibt es am Ende immer.
Schon etwas angestaubt, Synchronspringen, Ringen, Fechten und Co.. Und neue Sportarten wie Beachvolleyball? Das liegt angeblich voll im Trend – aber die Zuschauerränge sind fast leer. Wirklich Stimmung kommt da nicht auf. Die Moderatoren tun ihr Bestes, beschwören Olympias „tolle Geschichten“(jahrelange Vorbereitung, und dann ist im entscheidenden Moment das Knie kaputt) und versuchen, die Spannung zu halten: Die Deutschen liegen zurück, aber noch ist alles drin! Also harrt man aus bis zum letzten Platsch: Deutschland auf Rang vier – Pech und Blech. Der unkende Ehemann hatte recht, ist aber trotzdem nicht glücklich. Das nächste Mal gucke ich wieder einen Wilsberg-Krimi.