Letzter Brief an die Familie
Das letzte Lebenszeichen seines Großvaters hat uns Manfred Fickler zukommen lassen. Es folgt ein Auszug aus dem Brief von Karl Fickler, den dieser am 19. August 1916 an seine Frau schrieb. Zwei Wochen bevor er im Frankreichfeldzug als vermisst gemeldet wurde.
Mein Herzlieb, soeben kommen Deine lb. Zeilen vom 15. d. M. an, dafür herzlich danke. Ja, es war wieder einmal eine vergebliche Freude mit dem Urlaub, auf den wir uns alle so freuten. Stattdessen kam was anderes, das Schlimmste, was ich, seit ich im Felde stehe, gesehen und mitgemacht. Wir kamen am 11. an die Somme und sind gestern, nach sechs grauenvollen Tagen an der Front wieder abgelöst worden. Gott sei Dank bin ich auch hier völlig heil davongekommen, aber diese Tage werden mir und jedem Teilnehmer zeitlebens in Erinnerung bleiben. Wie es dort auf und zu geht, kann sich kein Mensch eine Vorstellung machen. Ein unglaubliches Morden, das jeder Menschlichkeit entbehrt. Hier kann man den Krieg in seiner traurigsten Form kennenlernen. Armes, verblendetes Volk herüben wie drüben, wann wird die Einsicht kommen?
Liebe Mimi, sei ohne Sorge um mich, vorerst sind wir hier in einer sog. Ruhestellung. Wie lange und wohin dann ist allen unbekannt. Hoffen wir das beste! Wie heute uns mitgeteilt wurde, soll der Urlaub nun bald wieder angehen, vielleicht blüht auch mir dann noch einmal das Glück. Im vorigen Quartier, es war in Templeuve la Fosse, war auch Schwager Conrad kurze Zeit, traf mich aber nicht, da ich an der Front war. Er hinterließ mir durch einen Kameraden Grüße. Gestern traf ich auf dem Marsch hierher auch einen Schöneberger (Haug Hans), den Du zwar nicht kennst aber die Eltern. Lasse den Eltern von diesen Zeilen wissen, ich werde ihnen bei Gelegenheit berichten. Pakete kommen an, wenn auch verspätet. Eier sollen keine mehr geschickt werden, da der Verkehr jetzt so unregelmäßig.
Liebe Mimi, erhole Dich im Urlaub recht gut, den Buben wird es recht behagen.
Auf baldiges Wiedersehen hoffend grüße und küsse ich Euch von Herzen
Euer Euch treuliebendes Paperl