Friedberger Allgemeine

Die Krise in unseren Köpfen

- WAS NICHT WAHR SEIN KANN

Die Klimaerwär­mung, klar; dass Autokratie jetzt wieder sexy ist, ja; und Kriege sowieso – aber meist sind es Kleinigkei­ten, die einen an Welt und Mensch verzweifel­n lassen. Zum Beispiel dieser Moment neulich: Durch eine Fußgängerb­rücke verengt sich der Weg, vor einem ein älterer Herr, Einheimisc­her, gemächlich gehend, Blick Richtung Boden, nachsinnen­d, alle Zeit der Welt. Soll er, kein Problem, sind ja nur ein paar Meter. Hinter ihm eingereiht also.

Weil: aus der Gegenricht­ung kommt ja auch noch einer. Junger Kerl, Migrations­hintergrun­d und auf dem Fahrrad auch noch. Der ältere Herr blickt nur kurz auf. Statt, wie es der junge Kerl gleich tut, so nahe an seine Seite der Brücke wie möglich zu rücken, damit beide bequem aneinander vorbei können, den Blick dazu freundlich erhoben, als wollte er gar grüßen… Nein, der ältere Herr rückt sogar merklich noch ein Stückchen weiter zur Mitte. Und macht er sich nicht noch ein Stückchen breiter, wird er nicht sogar noch langsamer? Der junge Kerl auf dem Fahrrad jedenfalls muss sich schon stehend an die Mauer quetschen, um nicht umgerempel­t zu werden, schaut ratund hilflos. Der ältere Herr walzt weiter…

So was wird man nicht los, auch, dass einem erst danach einfällt, was zu sagen und zu tun gewesen wäre. Was liegt nicht alles in einer solchen Bewegung! Und was liegt nicht alles hinter all dem, was in dieser Bewegung liegt. Es gibt viele böse Worte dafür, die einem im Lauf eines Tages durch den Kopf gehen können. Bis man am Morgen danach wieder an derselben Stelle vorbei kommt, alles noch einmal vor dem inneren Auge abläuft, man versucht, zu laufen wie der ältere Herr, um sich das vorstellen zu können… – um dann, genau dort, wo er nach innen gerückt ist, die Scherben einer Bierflasch­e zu entdecken. Die gestern womöglich auch schon da war?

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