Wie ein Neustart im Berufsleben gelingt
Immer wieder stellen Beschäftigte fest, dass sie den falschen Job haben. Um im fortgeschrittenen Alter eine neue Laufbahn einzuschlagen, braucht es allerdings einen guten Plan, ein finanzielles Polster, viel Mut – und Flexibilität
Berlin Kerstin Till war so richtig frustriert. Zwar hatte sie einen gut bezahlten Job als Direktionsassistentin in einer großen Firma, doch das war es irgendwie nicht. „Ich hatte keinen eigenen Verantwortungsbereich, konnte nicht selbstständig arbeiten“, erinnert sie sich. Während eines längeren Auslandsaufenthalts mit ihrem Mann in China reifte ein Entschluss in ihr: „Ich will studieren.“
Während des Abiturs, das Kerstin Till mit 40 Jahren bestand, kam sie zum ersten Mal mit dem Fach Psychologie in Berührung – das Interesse war geweckt. „Ich hatte einen Plan, aber ich habe festgestellt, dass man eine gewisse Flexibilität braucht, um zum Erfolg zu kommen“, sagt die selbstständige Psychologin heute. Und: „Der Frust war der größte Energiegeber und Motivator, um das durchzuziehen.“
Till ist kein Einzelfall in der Arbeitswelt. Immer wieder stellen Menschen fest, dass ihr gewählter Beruf nicht der richtige ist oder dass er sie nach Jahren nervt und frustriert. Früher ging man auch in solchen Fällen trotzdem im gewählten Job in Rente – oft auch aus Mangel an Alternativen. Heute sei das anders, sagt Michael Ziegelmayer. Er ist der Vizepräsident des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). Der Arbeitsmarkt habe sich völlig verändert, für viele sei es normal, dass die Arbeit sich immer wieder verändert. „Eigentlich ist das gut, denn dass man ein Erwerbsleben lang densel- Job macht, ist in der Psyche nicht angelegt.“
Auslöser für eine späte berufliche Umorientierung gibt es eine ganze Menge, sagt Gudrun Happich, Executive Coach in Köln. Das reicht von eigenen gesundheitlichen Problemen bis hin zu Sorgen, die man bei Verwandten und Freunden sieht. Oft sei dann nach außen hin alles prima – doch eigentlich sieht alles ganz anders aus. „Mancher kommt dann zu dem Schluss, dass Funktionieren nicht mehr funktioniert.“
Für Kerstin Till war die Situation irgendwann klar. „Ich wusste, dass ich nicht noch 20, 30 Jahre in einem Job bleiben will, der mich nicht ausfüllt.“Also zog sie ihr Psychologieben Studium durch, und umschiffte alle Hürden, die sich ihr in den Weg stellten. „Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich das Richtige mache“, sagt sie.
Bevor sie sich auf das späte Abenteuer Uni einließ, hatte sie viel nachgedacht und geplant. „Zwar braucht man viel Flexibilität, doch das Gerüst muss stehen.“Auch Happich rät vor dem Sprung ins Ungewisse zu guter Planung: Ehe man tatsächlich kündigt und etwas ganz anderes macht, sollte man sich mit einem guten Freund, dem Partner oder etwa einem Coach beraten. „Viele kommen mit radikalen Ideen und wollen alles sofort umkrempeln.“
Mitunter kann es schon reichen, mit einem Personalberater zu sprechen und sich eine neue Firma zu suchen. Und wenn es wirklich eine Selbstständigkeit sein soll oder ein ganz anderes Geschäft, müsse man auch die wirtschaftliche Seite beleuchten, sagt Ziegelmayer. „Dann braucht es einen Businessplan und eine kritische Analyse der ökonomischen Bedingungen.“Schließlich ist nur eine Minderheit finanziell so abgesichert, dass sie sich eine Pleite leisten kann.