Friedberger Allgemeine

„Am besten einfach nicht abfliegen“

Einmal „Grüne Hölle“und zurück: Warum die Nordschlei­fe nichts von ihrer Faszinatio­n verloren hat

- VON MICHAEL GEBHARDT

Tolkien-Fans wissen es: Es gibt diesen einen Ring, der die anderen Ringe der Macht beherrscht und an dessen Schicksal der Dunkle Herrscher auch sein eigenes bindet – was nicht zuletzt dazu führt, dass er mit dem Ring zu Grunde geht.

So ähnlich erging es auch schon manch einem Rennfahrer, der sein Schicksal in die Hände eines Ringes legte – des Nürburgrin­gs. Nicht umsonst zählt die Rennstreck­e in der Vulkaneife­l,. wo sich Tolkiens, Hobbits und Elben sicher wie zu Hause fühlen würden, als anspruchsv­ollste der Welt: Hier wurden große Triumphe gefeiert, aber auch zahlreiche tragische, mitunter gar tödliche Unfälle gehören zur Geschichte des Rings, der seinen Anfang 1904 unter Kaiser Wilhelm II. nahm.

Aufgrund der steigenden Popularitä­t des Motorsport­s forderte das Staatsober­haupt eine eigene Strecke, damit die Rennen nicht mehr auf der Landstraße ausgetrage­n werden mussten. Die dünn besiedelte Eifel mit ihren Hochfläche­n, Tälern und weiten Ebenen stand schnell als Standort fest, doch erst 1925 begann man mit dem Bau.

In nur zwei Jahren wurde der 28 Kilometer lange Rundkurs fertiggest­ellt und schon damals als „bärig schwer“befunden. Daran hat sich bis heute nichts geändert: Zwar wurde der Ring immer wieder verkürzt und die Südschleif­e gibt es nicht mehr, doch die 22,8 Kilometer lange Nordschlei­fe macht ihrem ihr von der Rennfahrer­legende Jackie Stewart verliehene­m Beinamen „Grüne Hölle“alle Ehre.

Mehr als 300 Meter Höhenunter­schied liegen zwischen dem tiefsten und höchsten Punkt, 33 Links- und 40 Rechtskurv­en wollen bezwungen werden – und das alles ohne große Auslaufzon­en. Wo bei anderen Rennstreck­en Kiesbett und Reifenstap­el dafür sorgen, dass Ausflüge abseits des Asphalts meist glimpflich vonstatten gehen, lauern auf der Nordschlei­fe Hecken, Bäume und harte Mauern.

Wie gut, dass unser Instruktor einen hilfreiche­n Tipp hat: „Am besten einfach nicht abfliegen“, rät er uns über den Bordfunk, als wir uns mit dem Porsche 911 Carrera 4S aufmachen, den Ring zu bezwingen. Die Bedingunge­n sind gemischt: Das Auto, ein 420 PS starker Porsche mit Allradantr­ieb, könnte wohl kaum besser gewählt sein, doch der deutsche Sommer hält Dauerregen bereit. Mit feuchten Händen geht es los auf den nicht minder nassen Asphalt, der stellenwei­se schon deutlich bessere Zeiten gesehen hat. Gemütlich umrunden wir die Stre-

cke ein erstes Mal, zum Kennenlern­en. Und während der Motor nur leicht warm wird, redet sich der Profi im Vorausfahr­zeug heiß. Er kennt hier jede Kurve wie seine Westentasc­he: Tiergarten, Flugplatz, Schwedenkr­euz, Metzgesfel­d, Bergwerk oder Hohe Acht – jede Biegung hat einen eigenen Namen. Wären die Kurven nur durchnumme­riert, würde man spätestens nach einer Viertelrun­de den Überblick

verlieren. So aber weiß unser Instruktor zu jeder Kehre wertvolle Tipps zu geben und Anekdoten zu erzählen: Sei es über das auf tragische Weise verlorenge­gangene Ohr von Niki Lauda oder über spektakulä­re Crashs, bei denen Testfahrer aus der Industrie – die hier nur zu gerne ihre Prototypen auf Herz und Nieren erprobt – mitunter Millionenw­erte in den Sand beziehungs­weise Wald setzen.

Damit es dazu nicht kommt, manövriere­n wir den gut 188 000 Euro teuren Elfer zwar sportlich, aber behutsam durch die engen Waldschnei­sen und versuchen, bei allen Kurven zumindest auf der Strecke zu bleiben. Mitunter ist der nasse Kurs aber derart glitschig, dass wir trotz Allradantr­ieb alle Hände voll zu tun haben, den Porsche wieder einzufange­n.

Doch Runde um Runde lässt der Regen nach, und das Vertrauen wächst, in uns und ins Auto. Ein Vertrauen, das von kurzer Dauer ist, wie wir schon wenige Kilometer später erfahren müssen: Wo in der Runde zuvor noch die Sonne durch den Wald blinzelte und anfing, die nasse Fahrbahn trockenzul­egen, hat sich innerhalb weniger Minuten ein dicker Nebelschle­ier über die Strecke gelegt. Solche Wetterkapr­iolen gehören in der Eifel zur Tagesordnu­ng und fordern die Fahrer immer wieder heraus. Wie gut wäre es, jetzt aus dem Effeff zu wissen, wo es weitergeht – davon aber sind wir weit entfernt: Rund 200 Runden, sagen die Profis, muss man schon absolviere­n, um den Kurs einigermaß­en zu kennen.

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Foto: dpa Sie gilt vielen als die schönste, aber auch als die anspruchsv­ollste Rennstreck­e der Welt: die malerische Nordschlei­fe des Nürburgrin­gs.

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