Fahren ohne Fahrer – wie geht denn das? Und: wollen wir das überhaupt?
Die sechs Stufen autonomen Fahrens
Der Verband der Automobilindustrie definiert sechs Stufen des autonomen Fahrens:
In der Stufe 0 gibt es keine automatisierten Fahrfunktionen. Der Fahrer führt allein die Längsführung (Geschwindigkeit halten, Gas geben und bremsen) und Querführung (lenken) aus. Es gibt keine eingreifenden, sondern lediglich warnende Systeme.
In der Stufe 1 kann ein System entweder die Längs- oder die Querführung des Fahrzeugs übernehmen, der Fahrer kümmert sich dauerhaft um die jeweils andere Aktivität.
Erst in der Stufe 2 spricht man von teilautomatisiert, da der Fahrer nun beides, die Längs- und die Querführung, an das System in bestimmten Fällen übergeben kann. Der Fahrer überwacht das Fahrzeug und den Verkehr während der Fahrt fortlaufend. Er muss jederzeit wieder in der Lage sein, sofort die Steuerung zu übernehmen.
In Stufe 3 erkennt das System selbstständig seine Grenzen, also den Punkt, an dem die Umgebungsbedingungen die Elektronik überfordern würden. In diesem Fall fordert das Fahrzeug den Fahrer zur Übernahme auf. Der Fahrer muss das Fahrzeug nicht mehr dauerhaft überwachen. Er muss jedoch dazu in der Lage sein, nach Aufforderung durch das System mit einer gewissen Zeitreserve einzuspringen.
Ab der Stufe 4 kann der Fahrer die komplette „Fahraufgabe“an das System übergeben. Voraussetzung ist, dass der Assistent den Straßentyp, den Geschwindigkeitsbereich und die Umfeldbedingungen kennt und richtig einschätzt.
Als letzte Entwicklungsstufe wird das fahrerlose Fahren, die Stufe 5, beziffert. Das Auto kann sich dann in vollem Umfang auf allen Straßentypen, in allen Geschwindigkeitsbereichen und unter allen Umfeldbedingungen selbst steuern.
Im Übrigen hat sich Deutschland der Wiener Straßenverkehrskonvention angeschlossen. Sie besagt, dass nur Systeme zulässig sind, die jederzeit vom Fahrer überstimmt und abgeschaltet werden können.
Die Skepsis der Deutschen
Zwei Studien haben zuletzt die Haltung der Deutschen gegenüber dem Thema Autonomes Fahren untersucht, eine von Emnid, eine von der Boston Consulting Group.
Demnach sind nur 29 Prozent der Bundesbürger dazu bereit, sich einem autonom fahrenden Auto anzuvertrauen. 67 Prozent lehnen dies ab.
Unter den Städtern ist der Zuspruch größer. 41 Prozent der in urbanen Gegenden lebenden Deutschen würden vollautomatisiert fahren.
Deutschland zählt damit zu den drei Ländern weltweit, die dem autonomen Fahren mit der größten Skepsis
gegenüberstehen. Zum Vergleich: In den USA ist jeder Zweite für die Technologie offen, in China 81 Prozent.
Eine wichtige Rolle bei der Beurteilung spielt offenbar die Selbsteinschätzung der Autofahrer. In Deutschland geben acht von zehn Befragten an, „gut und gerne“zu fahren. In China sind es nur zwei von zehn.
Projekte und Visionen
Auf der Insel Sylt soll ein Modellprojekt starten: der autonome Inselbus. Der elektrisch angetriebene Bus wird demnach Touristen aufnehmen und wieder absetzen – lautlos, emissionsfrei und natürlich ohne Fahrer.
Singapur experimentiert mit fahrerlosen Taxis. Die Idee ist, dass die Roboter-Kraftdroschken die „letzte Meile“übernehmen, sprich Pendler von zu Hause bis zur U-Bahn-Station bringen und von der U-Bahn zum Ziel. Für das Pilotprojekt, das bis 2019 laufen soll, werden fünf Audi-SUVs eingesetzt. Ab 2022 sollen die fahrerlosen Taxis dann regulär im Dienst sein.
Carsharing-Projekte wollen ebenfalls vom autonomen Fahren profitieren. Einen entsprechenden Piloten haben Bosch, car2go und Daimler gestartet: das automatisierte Parken im Parkhaus. So funktioniert es: Mit dem Smartphone wird ein Fahrzeug gebucht. Sobald der Nutzer in einer bestimmten Zone des Parkhauses wartet, fährt der Mietwagen von selbst vor. Die Rückgabe erfolgt in der gleichen Zone. Das Auto stellt sich dann automatisch wieder auf seinen Parkplatz.
Der Suchmaschinen-Riese Google testet selbstfahrende Autos bereits seit sieben Jahren in den USA. Im Einsatz sind 20 Fahrzeuge. Zusammen legten sie bislang rund 2,7 Millionen Kilometer zurück, davon 1,5 Millionen computergesteuert. Es kam auch schon zu einem guten Dutzend Blechschäden, wobei in keinem der Fälle die Elektronik „schuld“war, so Google. Ausnahme: Im März 2016 räumte der Konzern eine „Mitverantwortung“für einen Unfall ein. Verletzt wurde niemand.
Apple soll ebenfalls an einem Auto arbeiten, das sich ausnahmslos computergestützt fortbewegen kann. Spekulationen zufolge fehlen nur noch Kleinigkeiten bis zur Serienreife des AppleCars. Das Projekt läuft unter dem Arbeitstitel „Titan“.
Autonomes Fahren könnte auch auf die Familien große Auswirkungen haben. BMW-Chef Harald Krüger etwa glaubt, dass Eltern für ihre Kinder eines Tages nicht mehr Taxi spielen müssen, sondern das Auto die Kleinen selbstständig von der Schule oder dem Sport abholt.
Einige Forscher gehen davon aus, dass die Jungen irgendwann keinen Führerschein mehr machen müssen und die Alten auch dann noch „fahren“können, wenn es ihr Gesundheitszustand eigentlich nicht mehr zulässt. (scht)