Deutschland bleibt Europas Konjunktur-Zugpferd
Wirtschaftlich läuft es gut. Die positive Entwicklung könnte bis Ende 2016 anhalten. Doch Länder wie Italien und Frankreich ziehen die Eurozone nach unten
IVON STEFAN STAHL st das deutsche Konjunktur-Glas nun halb voll oder halb leer? Nach der Veröffentlichung der Wachstumszahlen für die Monate April bis Juni dieses Jahres legen Kommentare die pessimistischere Sicht nahe. Und dies, weil das Bruttoinlandsprodukt mit 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal mit noch kräftigen 0,7 Prozent an Kraft verloren hat. Was Schwarzseher dabei allzu gern verschweigen: Experten hatten zuletzt mit einem deutlich niedrigeren Plus gerechnet.
Damit läuft Deutschland im europäischen Konjunktur-Marathonlauf dank konsumfreudiger Bürger in der Spitzengruppe mit. Ja, andere Nationen mögen uns kritisieren und Ratschläge erteilen, wie, der Staat solle endlich mehr Geld investieren und Schulden machen. Am Ende sind die NörglerNationen doch froh, dass der deutschen Wirtschaft nicht die Puste ausgeht. So ist das heimische Konjunktur-Glas halb voll, zumal die Bundesregierung glaubt, das ohnehin auf Rekordhöhe befindliche Beschäftigungsniveau könne weiter steigen. Die Chancen sind also gut, dass die wirtschaftliche Lage bis Ende 2016 erfreulich bleibt, was für die Eurozone eine beruhigende Nachricht ist. Denn Italien findet wegen nur halbherziger Reformbemühungen des Regierungschefs Matteo Renzi nicht aus der Krise.
Und die französische Wirtschaft stagniert. Das deutsche Nachbarland wirkt auf gefährliche Weise paralysiert. Terror und chronische Reformunlust lähmen die Grande Nation, die seit Jahren an Kraft, Mut und Fortune einbüßt. Das wirkt sich negativ auf den Euro und Deutschland aus. Frankreich ist nämlich nach den USA und vor Großbritannien der wichtigste Markt für deutsche Exporte. Italien folgt immerhin auf Platz sieben.
Wenn Frankreich und Italien auf Dauer schwächeln und sich auch der Brexit stärker als heute belastend auswirkt, hat Deutschland ein dickes Problem. Hinzu kommen die Rückgänge im Außenhandel mit Russland, die gerade Bayerns Agrarwirtschaft schmerzlich spürt. Noch kann die deutsche Volkswirtschaft auf erstaunliche Weise Einbrüche auf wichtigen Exportmärkten mit Erfolgen in anderen Regionen wie den USA und nach wie vor auch in China ausgleichen. Zum Glück glänzt selbst Spanien wieder mit schönen Wachstumsraten. Aber wehe, wenn dort wie in Portugal erneut Parteien an die Macht kommen, die eine Reformrolle rückwärts anstreben.
Eine solche Exkursion auf unsere wichtigsten Exportmärkte zeigt vor allem eines: Deutschland hat sich nun neun Jahre nach Ausbruch der schweren Finanzmarktkrise mit den USA am nachhaltigsten erholt. Damals war es hierzulande der Staat, der mit der Abwrackprämie für Autos, Konjunkturprogrammen und Bankenrettungen der Wirtschaft in der Not erfolgreich zur Seite sprang. Im Krisenmodus läuft Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Hochform auf.
Nun stehen die Chancen gut, dass die CDU-Chefin mit wirtschaftlichem Rückenwind in das Wahljahr 2017 sprinten kann – ein Umstand, der gerade CDU und CSU Mut machen sollte, die Bürger in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen am Aufschwung teilhaben zu lassen.
Bundestags- sind auch immer Geldbeutelwahlen. Es schadet sicher nicht, dem arbeitenden Teil der Bevölkerung zu signalisieren, dass er aus Sicht der Regierenden nicht nur ein treuer Steuer- und Abgabenlieferant ist, zumal finanzielle Spielräume für eine alle Bürger entlastende Steuerreform vorhanden sind. Auch der Solidaritätszuschlag ist nicht in Stein gemeißelt. Eine schrittweise Abschaffung wäre das richtige Signal. Denn Abgaben- und Steuersenkungen, also grundlegende Reformen, sind das Wachstum von morgen. Das sollte Deutschland doch schaffen.
Deutschland hat die Finanzkrise gut weggesteckt