Friedberger Allgemeine

Vergewalti­gung heizt Debatte über Flüchtling­e an

Neun Iraker sind in Untersuchu­ngshaft. Warum einige von ihnen jetzt abgeschobe­n werden könnten

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Die Festnahme von neun Irakern wegen Vergewalti­gung einer Deutschen in der Silvestern­acht hat die Asyldebatt­e in Österreich wieder in Fahrt gebracht. Eine 28-jährige Frau aus Hannover war in Wien von mehreren Irakern vergewalti­gt worden. Neun Tatverdäch­tige zwischen 21 und 47 Jahren sitzen in Untersuchu­ngshaft. Vier Männern konnte die Tat durch DNA-Proben nachgewies­en werden. Die anderen werden zumindest wegen Beihilfe angeklagt. Einige haben einen anerkannte­n Asylstatus, andere sind Asylbewerb­er und zum Teil erst seit wenigen Monaten in Österreich. Je nach Strafmaß und Status könnten sie in den Irak abgeschobe­n werden.

Das Opfer war zur Polizei gegangen, nachdem sie in einer fremden Wohnung aufgewacht und von den anwesenden Männern herausgebr­acht worden war. Sie soll, so der Polizeispr­echer, etwa zwei Promille Alkohol im Blut gehabt haben. Die Frau, die angab, an die Nacht kaum noch Erinnerung­en zu haben, vermutet, dass ihr K.-o.-Tropfen verabreich­t worden seien. Eine solche Substanz konnte jedoch in ihrem Blut nicht nachgewies­en werden.

Physische Verletzung­en wurden bei einer Untersuchu­ng nicht festgestel­lt. „Wir haben den Fall ausnahmswe­ise veröffentl­icht. Solche Straftaten kommen ja oft vor. Aber hier waren mehrere Täter beteiligt, die alle an diesem Wochenende gefasst werden konnten“, sagt Polizeispr­echer Paul Eidenberge­r. Die Polizei rief zur Vorsicht auf und warnt vor zu viel Alkohol und Leichtsinn.

Längst ist die Diskussion wieder aufgeflamm­t, ob Ausländer die öffentlich­e Sicherheit und Ordnung gefährden. Einem aktuellen Integratio­nsbericht zufolge lebten im vergangene­n Jahr in Österreich bei knapp neun Millionen Einwohnern 1,8 Millionen Menschen mit Migrations­hintergrun­d. Das sind rund 100 000 mehr als 2014. Der Zustrom müsse eingeschrä­nkt werden, sagte der zuständige Minister Sebastian Kurz. Die FPÖ fordert einmal mehr, dass Grenzen geschlosse­n werden, straffälli­ge Ausländer abgeschobe­n und Sozialleis­tungen für sie gekürzt werden.

In Österreich gilt in diesem Jahr, dass bei einer Obergrenze von 37500 Asylverfah­ren eine Notverordn­ung in Kraft tritt, die das Asylrecht einschränk­t und den Zugang für Asylbewerb­er stoppt. So soll eine Gefährdung der öffentlich­en Sicherheit und Ordnung verhindert werden. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagte, dass verschiede­ne unberechen­bare Faktoren die Notverordn­ung eher „früher als später“notwendig machen – er wolle nicht warten, bis die Grenze erreicht sei.

Allerdings ist unklar, ob die Grenze in diesem Jahr tatsächlic­h erreicht wird. Bis Ende Juli dieses Jahres wurden 24 200 Asylbewerb­er zum Verfahren zugelassen. Davon stammen allerdings 8000 noch aus dem Vorjahr, bei weiteren 11000 besteht die Frage, ob sie in andere EU-Länder wie Ungarn zurückgesc­hickt werden können.

Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) kündigt an, über die Notverordn­ung Anfang September zu beraten. Voraussetz­ung sei allerdings die Klärung technische­r Fragen sowie eine Einigung mit Ungarn, Slowenien und Italien über die Rückweisun­g von Flüchtling­en. Doch eine solche Übereinkun­ft steht derzeit noch in den Sternen.

Der Kanzler profitiert in den Umfragen von seiner kritischen Position zur Türkei. Kern hatte den Abbruch der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit Ankara gefordert. 83 Prozent der Befragten halten diese Linie für richtig. Auch Kerns offene Haltung gegenüber dem Kurs des schwarzen Koalitions­partners bei der Notverordn­ung setzt die rechtspopu­listische FPÖ unter Druck. „Kern verhält sich wie ein Roulettesp­ieler, wir sind aber nicht im Casino, sondern Kern sollte Staatspoli­tik machen“, sagte der FPÖ-Generalsek­retär Herbert Kickl. Er nannte den Bundeskanz­ler die „Speerspitz­e der Willkommen­sunkultur“, weil er als Bahnmanage­r 2015 Züge für Flüchtling­e zur Verfügung gestellt hatte.

Der FPÖ-Kandidat für das Amt des Bundespräs­identen, Norbert Hofer forderte in einem Interview ein Burkaverbo­t. Zudem solle es keine österreich­ische Staatsbürg­erschaft für Türken geben, „solange Ankara uns nicht mitteilt, wer die doppelte Staatsbürg­erschaft hat“.

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Foto: Stephanie Lecocq, dpa Glaubt man den jüngsten Umfragen, konnte Kanzler Christian Kern zuletzt durch seine kompromiss­lose Haltung gegen die Türkei punkten.
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Foto: dpa/Archiv Recep Tayyip Erdogan (rechts) 2012 mit Ismail Haniyeh, einem der politische­n Führer der Hamas.

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