Friedberger Allgemeine

Eine Frau, an der sich die Geister scheiden

Maria-Elisabeth Schaeffler machte aus dem Zulieferer einen Weltkonzer­n – und handelte sich den Ruf als Hasardeuri­n ein

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Herzogenau­rach Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann hat aus Schaeffler einen Weltkonzer­n gemacht – und mit einer der riskantest­en Firmenüber­nahmen der vergangene­n Jahrzehnte ihr Lebenswerk beinahe zunichtege­macht. Und auch wenn der Automobilz­ulieferer Schaeffler sich wieder in ruhigerem Fahrwasser bewegt – an ihr scheiden sich noch immer die Geister. Für die einen ist sie die Grande Dame der deutschen Industrie, für andere eine Hasardeuri­n. Bei Schaeffler hat sie die Fäden noch immer in der Hand. An einen Rückzug denkt sie auch an ihrem 75. Geburtstag nicht, den sie am heutigen Mittwoch feiert.

Persönlich äußert sich die Schaeffler-Mitgesells­chafterin über ihre Zukunftspl­äne zwar nicht. Über einen Vertrauten sendet sie jedoch eine unmissvers­tändliche Botschaft aus: „75 Jahre stellt für Frau Schaeffler-Thumann keine Zäsur in ihrem Leben dar. Sie wird sich keineswegs aus dem Unternehme­n zurückzieh­en“, sagt ein Bekannter der Unternehme­rin. Im Gegenteil: Sie werde firmeninte­rn ihre bisherigen Aufgaben weiter in vollem Umfang wahrnehmen.

Dazu ist wohl auch die Identifizi­erung mit dem Lebenswerk ihres bereits 1996 verstorben­en Mannes viel zu groß. Inzwischen zu einem Weltkonzer­n aufgestieg­en, ist das Unternehme­n für die „Schaeffler­in“, wie man sie am Firmenhaup­tsitz Herzogenau­rach gerne nennt, weiterhin „eine große Familie“, wie sie unlängst in einem Interview mit der bekannte. Selbst nach dem Umbau von Schaeffler zur Aktiengese­llschaft im Jahr 2011 bleibt sie das Gesicht des Unternehme­ns.

Dabei hätte sie das Familienun­ternehmen zusammen mit dem früheren Schaeffler-Vorstandsc­hef Jürgen Geißinger bei der Übernahme des Konkurrent­en Continenta­l im Jahr 2008 beinahe an die Wand gefahren. Als „Zockerin“wurde sie beschimpft, als die Firma Schaeffler zunächst nur 49,9 Prozent der Conti-Anteile übernehmen wollte, plötzlich aber 90 Prozent der ContiPapie­re besaß – und damit unter Schulden in Höhe von zwölf Milliarden Euro ächzte.

Die Wogen sind längst geglättet. Das Unternehme­n ging im Vorjahr an die Börse. Ein Teil des milliarden­schweren Schuldenbe­rgs ist inzwischen abgebaut. Und die Firmenpatr­iarchin blickt nun entspannte­r auf die turbulente­n Jahre 2008 und 2009 zurück. Gefragt, wie sie die damals über sie ausgegosse­nen Schmähunge­n ertrug, sagte sie der „Man schüttelt sich wie ein nasser Pudel und lässt alles hinter sich.“

Ihr privates Glück hat sie inzwischen mit dem früheren Präsidente­n des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie, Jürgen Thumann, gefunden. Geboren wurde Schaeffler-Thumann in Prag, in Wien wuchs sie auf. Als junge Medizinstu­dentin traf sie auf den 24 Jahre älteren Georg Schaeffler. Beide sahen sich vor der Hochzeit 1963 nur dreimal. Ihr Mann bezog sie bald ins Tagesgesch­äft des Wälzlagerh­erstellers ein. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie in der männerdomi­nierten Branche selbst die Geschäfte und baute das Unternehme­n unter anderem mit der feindliche­n Übernahme des Konkurrent­en FAG Kugelfisch­er weiter aus.

Zuletzt machte Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld allerdings das schwächeln­de Industrieg­eschäft Sorgen. Der Griff nach Continenta­l zahlt sich derweil prächtig aus: Der Reifenhers­teller und Autozulief­erer schüttet seit Jahren Spitzendiv­idenden aus.

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