Friedberger Allgemeine

Jerusalem am Rhein

Die Städte Mainz, Speyer und Worms wollen aufgrund ihrer jüdischen Geschichte Weltkultur­erbe werden

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Mainz/Worms/Speyer Ein normaler Sommertag auf dem ältesten noch erhaltenen jüdischen Friedhof Europas, in Worms. Die moosbewach­senen Monumente – die ältesten stammen aus dem 11. Jahrhunder­t – geben Zeugnis über 2500 Tote, die hier liegen. Die Steine stehen aber auch für die jüdische Kultur, die sich am Rhein vor Jahrhunder­ten entwickelt hat und bis heute wirkt.

Religiöse Bauten – etwa die alten Synagogen und Ritualbäde­r in Worms und Speyer – sowie gesicherte Spuren jüdischer Gelehrthei­t in Mainz bezeugen diese kulturelle Blüte. Daher haben die Kultusmini­ster von Bund und Ländern die „Schum-Städte“Worms, Speyer und Mainz 2014 auf die deutsche Bewerbungs­liste für das Weltkultur­erbe der Unesco gesetzt. Die Bezeichnun­g „Schum“setzt sich aus den Anfangsbuc­hstaben der hebräische­n Namen Schin (Sch) für Schpira (Speyer), Waw (U) für Warmaisa (Worms) und Mem (M) für Magenza (Mainz) zusammen.

Seit November ist Susanne Urban Geschäftsf­ührerin des Vereins „Schum-Städte Speyer, Worms, Mainz“. Die Historiker­in sieht gute Chancen für die Anerkennun­g als Weltkultur­erbe. Wie sie unterstrei­cht, lebten schon im 10. Jahrhunder­t bedeutende Religionsg­elehrte in den Städten. Rabbis und Lehrer formten über Jahrhunder­te hinweg das Denken von Schülern, die ihrerseits religiöse Deutungen weitergabe­n. Einer der berühmtest­en Schüler vom Rhein dürfte Schlomo ben Jizchak aus Troyes – genannt Raschi – sein. Seine Kommentare zu Bibel und Talmud haben noch heute ihren Stellenwer­t in der jüdischen Welt.

Dass die drei Städte als „Jerusalem am Rhein“galten, daran erinnert Stella Schindler-Siegreich, Vorsitzend­e der Jüdischen Gemeinde Mainz. Sicher, als Unesco-Welterbe würde die Bedeutung stärker ins öffentlich­e Bewusstsei­n rücken. Anderersei­ts demonstrie­rt Schindler-Siegreich Selbstbewu­sstsein, wenn sie sagt, auch ohne den „Stempel Weltkultur­erbe“sei klar, wie stark die Städte die Rechtsprec­hung und die Auslegung der Tora bis heute prägen. Bei der Unesco soll die Bewerbung 2020 eingereich­t werden, die Entscheidu­ng dürfte 2021 fallen. Die Städte am Rhein sind aber nicht die einzigen Anwärter, die bei der Unesco für ihr jüdisches Erbe werben.

Auch die Stätte „Alte Synagoge und Mikwe in Erfurt – Zeugnisse von Alltag, Religion und Stadtgesch­ichte zwischen Kontinuitä­t und Wandel“steht auf der deutschen Vorschlags­liste für Welterbest­ätten. 2015 brachte Erfurts Oberbürger­meister Andreas Bausewein (SPD) deshalb eine gemeinsame Bewerbung ins Spiel, da etwa die jüdischen Gemeinden in Mainz und Erfurt im Mittelalte­r enge Verbindung­en gehabt haben.

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Foto: dpa Blick in die geschichts­trächtige Synagoge von Worms.

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