Bei ihm hat alles Hand und Fuß
Michael Ullrich ist Bayerischer Meister. Der Student hat einen Traum, der sich schwer verwirklichen lässt
Wenn Michael Ullrich die Wand im Augsburger Kletterzentrum erklimmt, tun schon beim Zuschauen die Finger weh. Mit traumwandlerischer Sicherheit greift der 20-jährige Augsburger auf der Suche nach einer möglichst schwierigen Route in die eingeschraubten Boulder. Mal springt er dann mit viel Risiko bis zum nächsten Griff, mal zieht er seinen kompletten Körper nur mit der Kraft der zehn Finger einen Überhang hinauf.
Für den frischgebackenen bayerischen Meister Ullrich ist das Bouldern an der nur zwei bis drei Meter hohen Wand, bei dem eine Weichgummimatte einen möglichen Absturz abfedert, nur ein Programm zum Warmmachen und Spaß haben. Seine sportlichen Wettkämpfe bestreitet der Student des Wirtschaftsingenieurwesens im Schwierigkeitsklettern, englisch Leadklettern, an Steilwänden mit bis zu 16, 17 Metern Höhe. Im Gegensatz zum Bouldern wird beim Leadklettern immer ein Sicherungsseil verwendet.
Bei den bayerischen Meisterschaften im Leadklettern in Reutlingen hat der Augsburger mit dem Titelgewinn seinen bisher größten sportlichen Erfolg errungen. Jeweils sechs Minuten hatte er Zeit, die zwei schweren Qualifikationstouren zu bewältigen. Beide schaffte er im vorgeschriebenen Zeitfenster bis ganz nach oben, was in solchen Wettkämpfen nicht selbstverständlich ist. Als das gelungen war, durfte er sich nicht nur über das Erreichen des Finales der besten Acht freuen, sondern bereits auch über den bayerischen Meistertitel. Die gesamte bayerische Konkurrenz hatte schon auf den Qualifikationsrouten gepatzt. „Das war eine wirklich angenehme Überraschung“, so Ullrich.
Entsprechend entspannt konnte er die Finalwand mit den 30 bis 40 Griffen angehen. „Wir hatten sechs Minuten Zeit zur Besichtigung, dann sollte man seine Route gefunden haben. Jeder löst die Aufgabe auf einem anderen Weg“, erzählt er von der Herausforderung, die er ebenfalls recht erfolgreich auf Platz fünf beendet hat. „Toll ist, dass wir jedes Mal bei einem Wettkampf etwas Neues vorfinden. Jedes Mal gibt es eine andere Route“, erzählt Michael Ullrich von der Faszination, die der Klettersport auf ihn ausübt.
Im Alter von zehn Jahren hat er bereits mit dem Klettern begonnen, kam schnell in die Leistungsgruppe des DAV-Stützpunkts in Augsburg und kämpfte sich über diverse Jugendmannschaften und- wettkämpfe in die bayerische Spitze vor. Mindestens vier Mal die Woche trainiert er an der Anlage des Deutschen Alpenvereins an der Sportanlage Süd. „Die Nähe der Kletteranlage zur Universität ist ein Vorteil“, sagt Ullrich, der versucht, Studium und Sport optimal miteinander zu verbinden. Ob die Zeit allerdings ausreicht, um es irgendwann auch in die deutsche oder sogar internationale Spitze zu schaffen, weiß Ullrich nicht. Er hat Bedenken. „Vom Niveau her ist das schon ein krasser Sprung“, weiß er, dass der Trainingsaufwand enorm ansteigt, will man national oder vielleicht sogar bei europäischen Wettbewerben oder gar World Cups klettern. „Natürlich wäre es ein Traum, das Klettern professionell zu betreiben, aber die meisten schaffen das nicht“, sieht Ullrich die Sache nüchtern. Er hofft aber, dass sein Sport mit der Aufnahme bei den Olympischen Spielen 2020 bekannter wird. Auf einen möglichen Start bei Olympia angesprochen, schüttelt der 20-Jährige lachend den Kopf: „Das wäre schön, ist aber eher unrealistisch.“
Er hat Spaß genug daran, seine Wettkämpfe zu bestreiten und sich hin und wieder den Traum einer steilen Wand irgendwo an den Kletter-Hotspots dieser Welt zu erfüllen. Ganz vorne in Ullrichs Hitliste: die schweren Routen im FrankenJura oder in Spanien. In jedem Fall aber am Sicherungshaken. So sagt er trotz seiner langjährigen Routine und Erfahrung: „Die Sicherung ist ein Muss. Ich gehe nie ungesichert in die Wand. Das ist eine andere Sache. Diesen Kick brauche ich nicht.“
Jeder Wettkampf bedeutet eine neue Herausforderung