Friedberger Allgemeine

Die Starrköpfe vom Hochfeld

Große Wohnblöcke dominieren den Stadtteil. Viele Gebäude sind mit Hauszeiche­n geschmückt. Die Kunst am Bau ist ein Spiegel ihrer Zeit. Die politische­n Umwälzunge­n im 20. Jahrhunder­t lassen sich dort ablesen

- VON GREGOR NAGLER

Viele der Wohnbauten, die sich im Hochfeld an die Alleestraß­en reihen, wirken nüchtern. Die Hautevolee lebte schon immer woanders. Doch die meisten Gebäude sind mit Hauszeiche­n geschmückt, da wird ein Spaziergan­g schnell zur Abhandlung über Kunst am Bau. Gottfried Bösch bot für seinen 1927–29 errichtete­n Wohnhof an der Hochfeldst­raße Zierurnen und Reliefs über den Eingängen auf. Jetzt wohnten die Arbeiter im gelb leuchtende­n Schloss und die Bildfelder zeigten in kubistisch gebrochene­r Perspektiv­e kein Gottesgnad­entum, sondern arbeitende Menschen – die Hausfrau und den Maurer.

Im Zeppelinho­f von Otto Holzer (1927/28) wachen zwei Sphingen nicht über die Toten, sondern prä- stolz Propeller und Zylinder. Hier lebten Mitarbeite­r der Bayerische­n Flugzeugwe­rke. Gleich um die Ecke wird es monumental­er. Am Alten Postweg flankieren zwei mächtige Skulpturen (1928) den Eingang zur ansonsten sachlichen Siedlung für Geschädigt­e des Ersten Weltkriege­s. Sie zeigen Mutter und Vater, die ihre Kinder schützen.

Stilistisc­h ähnlich, ideologisc­h jedoch völlig anders unterfütte­rt sind die Hauszeiche­n an der Von-Richthofen-Straße: Tonköpfe „beobachten“uns bis heute von den Hauseingän­gen. Es sind Symbole der Deutschen Arbeitsfro­nt, der Hitlerjuge­nd und des Bundes Deutscher Mädel, die 1936/37 entstanden. Nur die Hakenkreuz­e wurden nach 1945 schamvoll herausgesc­hlagen. Heute sind die „Starrköpfe“Mahnmale an die NS-Zeit.

An den gleichzeit­ig entstanden­en Wohnblöcke­n daneben entfaltete­n Bildhauer ein Panorama historisch­er Persönlich­keiten auf glasierten Keramikrel­iefs und an der Firnhabers­traße gibt es Rundbilder zur Flugzeugse­ntieren baugeschic­hte zu sehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Wohnungen in diesen Zeilenbaut­en von der US-Besatzungs­macht beschlagna­hmt worden. Bis 1951 lebten hier Displaced Persons, Heimatlose vorwiegend aus Lettland. Mittlerwei­le hatte man sich von einer überhöhend­en Bildsprach­e verabschie­det. Gegenüber der Kerschenst­einer Schule zeigt ein Putzrelief aus den 1950er Jahren zur Arbeit oder in die Schule eilende Personen in abstrahier­ter Wiedergabe: statt Vorstadt-Klassizism­us endlich Vorstadt-Picasso.

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