Der Meringer Himmel steht für jeden offen
Die Michaelskirche drohte vor fünf Jahren einzustürzen und damit wäre beinahe ein einzigartiges Bauwerk verloren gegangen
Mering Beinahe wäre den Meringern vor fünf Jahren der Himmel auf den Kopf gefallen. Pfarrer Thomas Schwartz erinnert sich noch gut daran, als er am 18. Oktober 2011 sich schweren Herzens dazu durchringen musste, die Meringer Pfarrkirche Sankt Michael für die Öffentlichkeit zu schließen. Er war erst wenige Monate im Amt, da türmte sich für ihn ein Berg von Arbeit auf. Schon bald war klar, die Barockkirche muss saniert werden. „Wie massiv das Ausmaß der Schäden aber dann doch war, darüber hatten wir zunächst keine Vorstellung“, erinnert sich Schwartz. Hinter ihm liegt eine arbeitsreiche Zeit, doch seit zwei Jahren er- strahlt der Bau, dessen Grundstein am 23. August 1739 gelegt wurde, wieder in seinem Glanz. Und was sonst eher platt und abgedroschen klingen mag, trifft auf die Michaelskirche wirklich zu. Glanzstück des Sakralbaus ist, neben den umfangreichen und ihn hoher Qualität ausgeführten Gemälden in den Seitenaltären und am Hochaltar, vor allem das Deckenfresko des Künstlers Ignaz Baldauf, das 1779 fertiggestellt wurde. In der 15 000-Einwohner-Gemeinde wird es meist nur „der Meringer Himmel“genannt.
Und so mancher Meringer, aber auch einige Promis aus Politik und Fernsehen, haben sich ein Stück von eben diesem prachtvollem Himmel gesichert. Um die umfangreichen Renovierungskosten von über drei Millionen Euro zu stemmen, hatte sich Schwartz nämlich eine ungewöhnliche Vermarktungsidee ausgedacht. Für 50 Euro, konnte man sich einen Platz im Meringer Himmel sichern.
Markus Binapfl, Diplom-Restaurator aus Friedberg, kennt den Meringer Himmel in- und auswendig. Fast ein Dreivierteljahr war er hoch oben und hat Millimeter für Millimeter das Deckenfresko mit einem Mikro-Dampfstrahlverfahren vom Staub der Geschichte befreit. Teilweise waren die Malereien gar nicht mehr zu erkennen. Vor allem im Chorraum konnte man die musizierenden Engel kaum mehr wahrnehmen, so schwarz waren die Gemälde. Das Deckenfresko ist ganz im Geist des ausgehenden Rokokos gehalten. Zwei Themen stehen sich dort gegenüber: die streitende und die triumphierende Kirche. „Es ist immer wieder ein beeindruckendes Gefühl, wenn man die Arbeit dieser vor über 300 Jahre tätigen Künstler hautnah erleben kann“, schildert Binapfl. Er bewundert neben dem kunsthandwerklichen Geschick auch die hohe Qualität der Arbeit von Ignaz Baldauf, der sich als Fürstbischöflicher Augsburger Hofmaler einen Namen machte.
Als wahre Neuentdeckung stellte der Restaurator fest, dass die Kirche ursprünglich wesentlich farbenprächtiger ausgestattet war. „So war zum Beispiel das gesamte umlaufende Gesims mit Blumenornamenten dekoriert“, erklärt Binapfl. Da nur noch Fragmente festzustellen waren, stand eine Rekonstruktion nicht mehr zur Debatte. Ein weiteres Mysterium wurde im Zuge der Restaurierung gelüftet. Der berühmte „Meringer Mohr“am Fresko des Mittelschiffs, der für seinen schwarzen und weißen Fuß zu den Kuriositäten der Meringer Kirche zählte, ist gar nicht so absonderlich. „Es handelt sich dabei nämlich nicht um eine unterschiedliche Hautfarbe, sondern um zwei verschiedenfarbige Schuhe“, erklärt Pfarrer Schwartz. Und dies sei ganz der Mode der damaligen Zeit geschuldet und keineswegs einer Laune der Natur entsprungen. Auch das Gemälde am Hochaltar gab im Zuge der Renovierung ein Geheimnis preis. Restaurator Axel Wieland ermittelte, dass es sich dabei wohl um ein Geschenk der Wittelsbacher handelte und dieses künstlerisch herausragende Bildnis, das den streitenden Erzengel Michael im Kampf gegen Luzifer zeigt, wohl zuvor an einem anderen Ort gehangen hatte.
Wahre Kunstschätze sind die Figuren, die an den Seiten der Kirche zu sehen sind. Sie stammten aus der Werkstatt von Josef und Johann Luidl. Johann übernahm den Hauptanteil der Plastiken in Sankt Michael. Sein Bruder Josef blieb als einziger der Familie in Mering wohnhaft und schuf zwei Kruzifixe in der Pfarrkirche.
Nicht nur der prächtig gestaltete Innenraum schafft die besondere Atmosphäre in Sankt Michael. „Es ist die hervorragende Akustik, für die wir weit über die Ortsgrenze hinaus bekannt sind“, sagt Pfarrer Schwartz. Neben den Münchner Philharmonikern waren bereits zweimal die Augsburger Domsingknaben zu Gast und begeistert von dem „Konzertsaal Gottes“.
Verantwortlich für die besondere Klangwirkung in Sankt Michael ist das freigesprengte Kehlbalkendach. Statiker Günter Döhring, spricht von der hohen handwerklichen Kunst der damals schon sehr bekannten Baumeister. „Es ist im höchsten Maße schützens- und erhaltenswert.“Bis die Experten die Dachkonstruktion in Mering gesehen hatten, ging die Fachwelt davon aus, dass nur theoretische Pläne existieren, die aber nie umgesetzt wurden. Das Dach hat die enorme Spannweite von circa 17,2 Metern zu überwinden und galt zu seiner Zeit neben dem Dach der Augsburger Ulrichskirche als eines der am weitesten gespannten Dächer. Das Dachwerk über St. Michael ist vermutlich das einzige seiner Art in Deutschland. Und genau dieses Dach war die Ursache für die aufwendigen Renovierungsarbeiten. Die Balken waren so beschädigt, dass sie keine Stützfunktion mehr hatten, das gesamte Gewicht lagerte auf den Außenmauern.
Auch das Äußere von Sankt Michael änderte sich gewaltig. Der weiß-rosa Anstrich wurde mit weißer und grüner Farbe übertüncht. „Farbproben zeigten, dass das dem Originalanstrich entspricht“, erklärt Markus Binapfl. Daran mussten sich die Meringer erst gewöhnen, doch mittlerweile ist die Diskussion um den neuen Anstrich wieder abgeebbt.