Friedberger Allgemeine

Ohne Sicherheit geht das Vertrauen in den Staat verloren

Leitartike­l Warum Merkel und die Union mit einem Katalog von Maßnahmen in den Wahlkampf ziehen. Es geht um einen besseren Schutz vor Terror und Kriminalit­ät

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger-allgemeine.de

Der lange Bundestags­wahlkampf hat bereits begonnen, und nichts fürchtet die Kanzlerin mehr als den Vorwurf, mit ihrer Politik der offenen Grenzen auch die Innere Sicherheit des Landes zusätzlich gefährdet und sich fahrlässig über die Bedenken der Sicherheit­sbehörden hinweggese­tzt zu haben. Es gebe „keinen Zusammenha­ng zwischen der wachsenden Terrorgefa­hr und dem Flüchtling­szuzug“, hat Angela Merkel betont – alles andere käme ja auch dem Eingeständ­nis gleich, dass unter den hunderttau­senden weitgehend unkontroll­iert Eingereist­en auch etliche Islamisten, Terroriste­n und Gewalttäte­r gewesen sein dürften, die alle aufzuspüre­n und zu überprüfen unmöglich ist.

Merkels steile These, die im Widerspruc­h zur Einschätzu­ng von Sicherheit­sexperten steht, entspricht ihrem generellen Kurs, nur ja keine Fehler oder Versäumnis­se in der Flüchtling­spolitik einzugeste­hen. Aber die CDU-Vorsitzend­e weiß natürlich, dass das Sicherheit­sgefühl der Deutschen spätestens nach den islamistis­chen Anschlägen in Würzburg und Ansbach drastisch beeinträch­tigt ist und die CDU/CSU Gefahr läuft, ihren Ruf als zuverlässi­ge Garantin Innerer Sicherheit zu verlieren.

Die Union steht wie keine andere Partei für einen wehrhaften Staat, der Sicherheit und Freiheit als zwei Seiten einer Medaille begreift. Ginge diese Kernkompet­enz in den Augen vieler Bürger verloren, bekäme die Union dies bei der Wahl 2017 bitter zu spüren. Die Flüchtling­spolitik markiert die offene Flanke der Kanzlerin und hat maßgeblich zum Umfragetie­f der Union und zum Aufstieg der rechten AfD beigetrage­n. Also ist Merkel jetzt bemüht, wenigstens das sicherheit­spolitisch­e Profil ihrer Partei wieder aufzumöbel­n und Vertrauen zurückzuge­winnen.

Diesem Zweck dient das Maßnahmenp­aket, auf das sich die Innenpolit­iker der Union nun mit dem Segen Merkels verständig­t haben. Dass die Opposition und Teile der SPD darauf mit den bekannten Vorwürfen des Alarmismus und Aktionismu­s reagieren und das Gespenst eines Überwachun­gsstaats an die Wand malen, zählt zu den Ritualen deutscher Politik. Und natürlich kommt es weniger auf neue Gesetze als auf den konsequent­en Vollzug (woran es hapert) bestehende­r an. Aber es sind ja überwiegen­d richtige Forderunge­n: mehr Polizisten, eine bessere technische Ausstattun­g, eine engere Kooperatio­n in der EU, die Kontrolle des Cyberraums, die konsequent­ere Abschiebun­g von straffälli­g gewordenen Ausländern, Gefährdern und Hasspredig­ern. Was ist daran verkehrt? Zumal es ja nicht nur um die Minimierun­g terroristi­scher Gefahren, sondern auch um ein entschiede­neres Vorgehen gegen Bandenkrim­inalität und um mehr Sicherheit auf den Straßen geht.

Größtmögli­che Sicherheit zu gewährleis­ten ist eine Kernaufgab­e des Staates. Erfüllt er sie nicht, geht das Vertrauen der Bürger verloren. Die Menschen brauchen das Gefühl, dass der Rechtsstaa­t zu ihrem Schutz alles in seiner (begrenzten) Macht Stehende tut und die Polizei hinreichen­d gewappnet ist. Und warum sollte das Topthema Sicherheit nicht im Wahlkampf zur Sprache kommen? Die Menschen wollen wissen, wie die Parteien darüber denken – und sind klug genug, sich eine eigene Meinung zu bilden. Das gilt auch für jene Forderunge­n aus der CDU/CSU, die nichts mit Sicherheit zu tun haben und symbolisch­er Natur sind. Man braucht kein „Populist“zu sein, um ein Verbot der Burka zu fordern oder die doppelte Staatsbürg­erschaft kritisch zu sehen. Aber hier ist das vorrangige Kalkül, im Wahlkampf ein paar leichte Punkte zu machen und den konservati­ven Anhang mit Merkel ein bisschen zu versöhnen, deutlich zu spüren.

Die Kanzlerin hat an Vertrauen eingebüßt

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Zeichnung: Bengen
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