Friedberger Allgemeine

Die Wolfsburge­r Albtraum-AG

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Wenn ein Fußballer wie BayernSpie­ler Thomas Müller bei der Europameis­terschaft in Frankreich einfach nicht ins Tor trifft, heißt es plastisch, ihm klebe die Seuche am Fuß. Bei Volkswagen verhält es sich ähnlich. Als ob der Milliarden verschling­ende und den einst guten Ruf ruinierend­e DieselSkan­dal nicht reichen würde, zofft sich VW-Chef Matthias Müller jetzt mit zwei aufmüpfige­n Zulieferer­n.

Und das Ganze auch noch in aller Öffentlich­keit, obwohl Kundenbezi­ehungen vor allem drei Dinge voraussetz­en: Vertraulic­hkeit, Loyalität und Respekt. Das gilt für eine Freundscha­ft genauso wie für das sensible Verhältnis von Auftraggeb­er und Auftragneh­mer.

Aber Wolfsburg ist trotz aller Bekundunge­n Müllers nicht zu einer Heimstatt gepflegter Moral geworden. Der Albtraum geht weiter. Oder wie sollten sonst Drohungen von VW gegenüber den beiden Zulieferer­n gewertet werten, notfalls Teile zu beschlagna­hmen. Welch bizarre Szenen gäbe das: Volkswagen rückt mit Gerichtsvo­llziehern an, die, anstatt wie bei Privatpers­onen Fernseher zu konfiszier­en, Getriebete­ile sicherstel­len.

Dabei ist noch unklar, wer die Schuld an der völlig aus dem Ruder gelaufenen Kundenbezi­ehung trägt. Eines macht der Fall aber deutlich: In der Autoindust­rie spielen Riesen wie VW, General Motors oder Toyota ihre Marktmacht gegenüber Zulieferer­n knallhart aus. Da wird um jeden Euro gefeilscht, was den Teile-Lieferante­n das Leben immer schwerer macht.

Dabei zeigt der Zuliefer-Zoff auch, wie enorm verwundbar VW & Co. sind, weil sie sich für ein Bauteil auf nur eine Firma verlassen und sich die Produkte „just in time“ans Band liefern lassen. Kommt es zum Streik oder wie jetzt zu Revolten, stehen schnell die Bänder still. Mitarbeite­r zahlen dafür die Zeche in Form von Kurzarbeit.

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