Friedberger Allgemeine

Wie man Hof und Balkon ganz einfach begrünt

Natur Clara Tengler hat die „Nachbarsch­aftsgärtne­rei Augsburg“gegründet. Sie pflanzt Gurken auf dem Dach, Erdbeeren in Flaschen und legt Vertikalbe­ete aus Paletten an. Was die junge Frau antreibt

- VON UTE KROGULL Kontakt über Facebook (Nachbarsch­aftsgärtne­rei Augsburg) oder nachbarsch­aftsgaertn­erei@gmx.de

Augsburgs alte Viertel wimmeln von ungenutzte­n Hinterhöfe­n, die nur darauf warten, begrünt zu werden. Clara Tengler hat damit im Dom- und Georgsvier­tel angefangen. Die 24-Jährige gründete die „Nachbarsch­aftsgärtne­rei Augsburg“, in der sich Menschen treffen, um Pflanzgefä­ße zu basteln, Pflänzchen zu ziehen und zu pflegen oder einfach Ideen auszutausc­hen. Wie man in einem grauen Hinterhof mit wenig viel erreichen kann, dafür ist das Haus an der Georgenstr­aße, in dem sie wohnt, ein Beispiel.

Auf der Dachterras­se hat sie Gurken, Zucchini und Tomaten gepflanzt. Die Töpfe stehen zwischen Wildkräute­rn, Gestelle mit Gardinen schützen die Pflanzen gegen die Sonne und erzeugen ein bisschen Wohnzimmer-Gefühl. Unten im Hof ist die Aufzuchtst­ation, in ste- tem Wandel begriffen. Gerade räkeln sich Erdbeerset­zlinge aus mit Erde befüllten Plastikfla­schen, die von einem Fensterbre­tt hängen, Kräuter wachsen in Säcken, Teekannen und Keramiktöp­fen vom Sperrmüll. In Vertikalbe­eten keimt Salat. Die Beete sind eine witzige Idee für Stadtgärtn­er: Unbehandel­te Holzpalett­en werden hochkant aufgestell­t, Säcke, die in den Zwischenrä­umen befestigt werden, ersetzen die Balkonkäst­en – ein günstiges und platzspare­ndes Gartenmöbe­l. Clara Tengler baut es in Workshops zusammen mit anderen, zuletzt in der Friedensfe­st-Zentrale „Taubenschl­ag“. Denn sie will ihr Wissen und ihre Pflanzen nicht für sich behalten. „Es macht mir Spaß, für mich anzubauen, aber ich wollte gerne mein Umfeld einbeziehe­n.“Bei der Stadtverwa­ltung kam sie mit der Idee nicht weiter. Also hängte sie im ganzen Viertel Zettel auf. Be- von vier Hinterhöfe­n machen inzwischen mit, auch Fikret Yakaboylu, Wirt des Cafés Neruda. Er zieht passenderw­eise Kräuter in alten Bierkisten. „Viele glauben, in der Stadt kann man nicht gärtnern. Aber es funktionie­rt ganz hervorrage­nd, man muss sich nur kümmern“, sagt Clara.

Sie möchte Strukturen aufbauen, damit sich die Menschen gegenseiti­g unterstütz­en. „Es geht nicht darum, dass ich jedem ein Vertikalbe­et baue und dann täglich zum Gießen vorbeihusc­he.“Doch es kann darum gehen, sich gegenseiti­g im Urlaub beim Gießen zu vertreten. Vernetzung ist ihr wichtig.

Sie ist Mitglied in dem Projekt Solidarisc­he Landwirtsc­haft, lernte darüber die Permakultu­r Emersacker kennen, lernt dort gärtnern und bekommt Erde und Setzlinge. „Außer für die Samen zahle ich für fast nichts“, berichtet sie mit Blick auf die wachsende Pracht – ihre Gurken kann sie gerade gar nicht mehr alle essen. Außer um die Freude am Selbstgezo­genen geht es ihr auch darum, sich vom Markt unabwohner hängig zu machen, ihr Leben zu entschleun­igen, ihr Umfeld zu gestalten.

Dafür investiert sie viel Zeit. Am Geld liegt der 24-Jährigen nichts, die in einer Wohngemein­schaft lebt und ihr Essen „containert“– also aus Tonnen holt, was andere wegwerfen. Was sie braucht, verdient sie mit Tätowieren, teilt sich dafür ein Atelier mit dem Künstler Max Birkl. „Ich bin dankbar, dass ich durch kreative Arbeit Geld verdienen kann.“Mit den Nachbarsch­aftsgärten möchte sie Orte schaffen, die „nähren“– Körper und Seele. Aus Gärtnersic­ht ist das Projekt ein jungen Pflänzchen. „Aber wenn ich durch die Stadt gehe, dann sehe ich ganz viel, was man machen kann.“

 ??  ??
 ?? Fotos: Bernd Hohlen ?? Clara Tengler hat ihren Hof mit einfachen Mitteln begrünt. Kapuzinerk­resse wächst in einer Gemüsekist­e, Kräuter gedeihen im selbst gebauten Holzkasten, Erdbeeren in Flaschen an der Hauswand.
Fotos: Bernd Hohlen Clara Tengler hat ihren Hof mit einfachen Mitteln begrünt. Kapuzinerk­resse wächst in einer Gemüsekist­e, Kräuter gedeihen im selbst gebauten Holzkasten, Erdbeeren in Flaschen an der Hauswand.
 ??  ?? Topf oder Kanne: Bepflanzen lässt sich beides.
Topf oder Kanne: Bepflanzen lässt sich beides.

Newspapers in German

Newspapers from Germany