Wie man Hof und Balkon ganz einfach begrünt
Natur Clara Tengler hat die „Nachbarschaftsgärtnerei Augsburg“gegründet. Sie pflanzt Gurken auf dem Dach, Erdbeeren in Flaschen und legt Vertikalbeete aus Paletten an. Was die junge Frau antreibt
Augsburgs alte Viertel wimmeln von ungenutzten Hinterhöfen, die nur darauf warten, begrünt zu werden. Clara Tengler hat damit im Dom- und Georgsviertel angefangen. Die 24-Jährige gründete die „Nachbarschaftsgärtnerei Augsburg“, in der sich Menschen treffen, um Pflanzgefäße zu basteln, Pflänzchen zu ziehen und zu pflegen oder einfach Ideen auszutauschen. Wie man in einem grauen Hinterhof mit wenig viel erreichen kann, dafür ist das Haus an der Georgenstraße, in dem sie wohnt, ein Beispiel.
Auf der Dachterrasse hat sie Gurken, Zucchini und Tomaten gepflanzt. Die Töpfe stehen zwischen Wildkräutern, Gestelle mit Gardinen schützen die Pflanzen gegen die Sonne und erzeugen ein bisschen Wohnzimmer-Gefühl. Unten im Hof ist die Aufzuchtstation, in ste- tem Wandel begriffen. Gerade räkeln sich Erdbeersetzlinge aus mit Erde befüllten Plastikflaschen, die von einem Fensterbrett hängen, Kräuter wachsen in Säcken, Teekannen und Keramiktöpfen vom Sperrmüll. In Vertikalbeeten keimt Salat. Die Beete sind eine witzige Idee für Stadtgärtner: Unbehandelte Holzpaletten werden hochkant aufgestellt, Säcke, die in den Zwischenräumen befestigt werden, ersetzen die Balkonkästen – ein günstiges und platzsparendes Gartenmöbel. Clara Tengler baut es in Workshops zusammen mit anderen, zuletzt in der Friedensfest-Zentrale „Taubenschlag“. Denn sie will ihr Wissen und ihre Pflanzen nicht für sich behalten. „Es macht mir Spaß, für mich anzubauen, aber ich wollte gerne mein Umfeld einbeziehen.“Bei der Stadtverwaltung kam sie mit der Idee nicht weiter. Also hängte sie im ganzen Viertel Zettel auf. Be- von vier Hinterhöfen machen inzwischen mit, auch Fikret Yakaboylu, Wirt des Cafés Neruda. Er zieht passenderweise Kräuter in alten Bierkisten. „Viele glauben, in der Stadt kann man nicht gärtnern. Aber es funktioniert ganz hervorragend, man muss sich nur kümmern“, sagt Clara.
Sie möchte Strukturen aufbauen, damit sich die Menschen gegenseitig unterstützen. „Es geht nicht darum, dass ich jedem ein Vertikalbeet baue und dann täglich zum Gießen vorbeihusche.“Doch es kann darum gehen, sich gegenseitig im Urlaub beim Gießen zu vertreten. Vernetzung ist ihr wichtig.
Sie ist Mitglied in dem Projekt Solidarische Landwirtschaft, lernte darüber die Permakultur Emersacker kennen, lernt dort gärtnern und bekommt Erde und Setzlinge. „Außer für die Samen zahle ich für fast nichts“, berichtet sie mit Blick auf die wachsende Pracht – ihre Gurken kann sie gerade gar nicht mehr alle essen. Außer um die Freude am Selbstgezogenen geht es ihr auch darum, sich vom Markt unabwohner hängig zu machen, ihr Leben zu entschleunigen, ihr Umfeld zu gestalten.
Dafür investiert sie viel Zeit. Am Geld liegt der 24-Jährigen nichts, die in einer Wohngemeinschaft lebt und ihr Essen „containert“– also aus Tonnen holt, was andere wegwerfen. Was sie braucht, verdient sie mit Tätowieren, teilt sich dafür ein Atelier mit dem Künstler Max Birkl. „Ich bin dankbar, dass ich durch kreative Arbeit Geld verdienen kann.“Mit den Nachbarschaftsgärten möchte sie Orte schaffen, die „nähren“– Körper und Seele. Aus Gärtnersicht ist das Projekt ein jungen Pflänzchen. „Aber wenn ich durch die Stadt gehe, dann sehe ich ganz viel, was man machen kann.“