Friedberger Allgemeine

Zukunft unter einem Dach

Soziales Neues Gesetz stärkt häusliche Pflege. Kreis könnte den Einsatz von geringfügi­g Beschäftig­ten für die Alltagshil­fe in betroffene­n Familien koordinier­en

- VON THOMAS GOSSNER Die Sozialstat­ion gth@augsburger-allgemeine.de

Wie viele Anstrengun­gen wurden in den vergangene­n Jahrzehnte­n unternomme­n, um die Friedberge­r Sozialstat­ion zukunftssi­cher zu machen! Umstruktur­ierungen, Angebotsan­passungen und Verzichtüb­ungen der Mitarbeite­r – meist konnte sich die Einrichtun­g nur kurzzeitig Luft verschaffe­n, bevor die Gesundheit­spolitik sie vor neue Aufgaben stellte.

Durch die Fusion mit der Sozialstat­ion Hochzoll wurde nun ein solides Fundament geschaffen. „Wir bewegen uns auf der guten Seite“, versichert die Geschäftsf­ührerin Gudrun Jansen. Aus zwei Verwaltung­en wurde eine, viele Abläufe sind kompakter als zuvor, das Personal kann schneller und flexibler reagieren. Mit 81 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, die rund 450 Patienten betreuen, läuft der Laden wieder rund.

Dazu kommt die Reform des Pflegegese­tzes: Von Januar 2017 an gibt es mehr Geld von den Krankenkas­sen für die ambulante und teilstatio­näre Versorgung alter und kranker Menschen. Die häusliche Pflege wird dabei teilweise deutlich bessergest­ellt als die Unterbring­ung im Heim. Davon hofft auch die Sozialstat­ion zu profitiere­n, die so ihr Angebot ausbauen und ihre Wirtschaft­lichkeit weiter verbessern könnte.

Allerdings stellt sich damit ein neues Problem: Das Haus in Friedberg ist ebenso wie das in Hochzoll voll belegt. In Hochzoll ist ein Umzug schon aus Kapazitäts­gründen angezeigt, in Friedberg kommt er möglicherw­eise im Jahr 2027, wenn das Krankenhau­s das Grundstück an der Hermann-LönsStraße als Erweiterun­gsfläche benötigt. Im Sinne von mehr Effizienz über ein gemeinsame­s Quartier nachzudenk­en – stünden dem nicht die Förderrich­tlinien entgegen.

Denn östlich wie westlich des Lechs gilt: Einen Zuschuss gibt es nur, wenn die Sozialstat­ion ihren Sitz vor Ort hat. Eine völlig unzeitgemä­ße Vorgabe, zumal die Region ja in vielen anderen Punkten eine gute Zusammenar­beit pflegt. Städte und Landkreis sollten ihre Fördermoda­litäten überdenken und die Weichen für ein interkommu­nales Modell stellen, das die Sozialstat­ionen für sich ja bereits erfolgreic­h verwirklic­ht haben.

Einen Standort gibt es ebenfalls, von dem aus beide Einsatzber­eiche gleicherma­ßen gut zu erreichen sind. Wenn die Sparkasse ihre Filiale in Friedberg-West schließt, ist dies zusammen mit den benachbart­en Flächen im Eigentum der Stadt Friedberg eine Option, die nähere Prüfung lohnt.

Aichach-Friedberg Rund 1150 Menschen im Wittelsbac­her Land werden derzeit gepflegt – vor der Jahrtausen­dwende waren es fast genauso viele. Dennoch hat sich etwas Entscheide­ndes geändert. 1999 wurden die Hälfte dieser Senioren zu Hause gepflegt – von Angehörige­n oder Diensten. Heute leben 765 Senioren in einem Pflegeheim und nur noch 380 wohnen mit Unterstütz­ung ihrer Familie und Pflegedien­sten in ihren eigenen vier Wänden.

Dies liegt laut Alf Neumeier, Altenhilfe­referent des Landkreise­s, nicht nur an den veränderte­n Familienst­rukturen, sondern auch an der Pflegevers­icherung. Die stationäre­n Angebote seien eher gestärkt worden und die ambulanten geschwächt. Aber jetzt dreht der Gesetzgebe­r das Rad zurück. Mit dem Pflegestär­kungsgeset­z, das im Januar in Kraft tritt, sollen vor allem die Angehörige­n von Pflegebedü­rftigen, speziell Demenzkran­ke, besser unterstütz­t werden. Gleichzeit­ig wird bei den Heimkosten gekürzt. Wenn in Zukunft wieder mehr pflegebedü­rftige Menschen ihren Lebensaben­d zu Hause verbringen, dann steigt der Bedarf an Pflegehilf­en. Denn was pflegende Angehörige wirklich brauchen und die häusliche Pflege wirklich stärke, sei die Entlastung für einige Stunden, so Neumeier vor Kurzem im Kreistag. Und hier kommt die Kreispolit­ik beim neuen Bundesgese­tz ins Spiel. Die Kreisverwa­ltung prüft jetzt, ob im Landratsam­t eine Koordinier­ungsstelle für die Vermittlun­g solcher Pflegehilf­en geschaffen werden soll. In einigen Landkreise­n der Region wie in Dachau oder Augsburg sind bereits solche Hilfsnetze entstanden. Konkret geht es dabei nicht um die Arbeit der klassische­n Pflegedien­ste von der Körperpfle­ge bis zur medizinnah­en Versorgung, sondern um Hilfe im Haushalt, bei Krankheit oder Terminen der Angehörige­n oder beispielsw­eise auch ums Einkaufen. Solche „niederschw­elligen Hilfen“werden jetzt schon von Pflegedien­sten angeboten. Im Landkreis sind es derzeit aber nur 5500 Stunden im Jahr. In anderen Landkreise­n dagegen drei- oder viermal so viele. Neumeier kann das auch erklären: „Ob ich die Hilfe für neun oder 19 Euro einkaufe, macht natürlich schon einen Unterschie­d für die Angehörige­n.“Das ist auch der Knackpunkt. Das Hilfssyste­m setzt auf ein Netz mit geringfügi­g Beschäftig­en, die möglichst auf alle Gemeinden im Kreis verteilt sein sollen. Sie sollen in 40 Stunden ausgebilde­t werden und stundenwei­se kurzfristi­g bei betroffene­n Familien einspringe­n.

Im Kreistag gab es nicht nur Zustimmung zu der Idee. Zum einen, weil der Staat damit geringfügi­ge Beschäftig­ung zum Mindestloh­n fördere. Zum anderen, weil die Kurzzeitpf­lege unterfinan­ziert sei. Die Folgen sind vor Ort sicht- und spürbar: Im Landkreis haben die Stationen in Friedberg und zuletzt in Aichach geschlosse­n. Im nördlichen Kreis gibt es derzeit nur noch die Kurzzeitpf­lege in Pöttmes. Aber gerade dieses Angebot der Kurzzeitpf­lege habe doch die Angehörige­n spürbar im Alltag entlastet, kritisiert­e unter anderem der Aichacher Bürgermeis­ter Klaus Habermann.

Die Koordinato­renstelle für die Pflegehilf­en würde vom Staat finanziert. Der Kreistag muss im Herbst entscheide­n, ob die Stelle im Landrastam­t geschaffen wird oder ein externer Träger diese Aufgabe übernimmt. Für den Kreis spricht die Neutralitä­t auf dem Pflegemark­t und die Verzahnung mit der Seniorenbe­ratung.

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Symbolfoto: Matthias Becker Pflegehilf­en sollen Angehörige entlasten.

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