Zukunft unter einem Dach
Soziales Neues Gesetz stärkt häusliche Pflege. Kreis könnte den Einsatz von geringfügig Beschäftigten für die Alltagshilfe in betroffenen Familien koordinieren
Wie viele Anstrengungen wurden in den vergangenen Jahrzehnten unternommen, um die Friedberger Sozialstation zukunftssicher zu machen! Umstrukturierungen, Angebotsanpassungen und Verzichtübungen der Mitarbeiter – meist konnte sich die Einrichtung nur kurzzeitig Luft verschaffen, bevor die Gesundheitspolitik sie vor neue Aufgaben stellte.
Durch die Fusion mit der Sozialstation Hochzoll wurde nun ein solides Fundament geschaffen. „Wir bewegen uns auf der guten Seite“, versichert die Geschäftsführerin Gudrun Jansen. Aus zwei Verwaltungen wurde eine, viele Abläufe sind kompakter als zuvor, das Personal kann schneller und flexibler reagieren. Mit 81 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die rund 450 Patienten betreuen, läuft der Laden wieder rund.
Dazu kommt die Reform des Pflegegesetzes: Von Januar 2017 an gibt es mehr Geld von den Krankenkassen für die ambulante und teilstationäre Versorgung alter und kranker Menschen. Die häusliche Pflege wird dabei teilweise deutlich bessergestellt als die Unterbringung im Heim. Davon hofft auch die Sozialstation zu profitieren, die so ihr Angebot ausbauen und ihre Wirtschaftlichkeit weiter verbessern könnte.
Allerdings stellt sich damit ein neues Problem: Das Haus in Friedberg ist ebenso wie das in Hochzoll voll belegt. In Hochzoll ist ein Umzug schon aus Kapazitätsgründen angezeigt, in Friedberg kommt er möglicherweise im Jahr 2027, wenn das Krankenhaus das Grundstück an der Hermann-LönsStraße als Erweiterungsfläche benötigt. Im Sinne von mehr Effizienz über ein gemeinsames Quartier nachzudenken – stünden dem nicht die Förderrichtlinien entgegen.
Denn östlich wie westlich des Lechs gilt: Einen Zuschuss gibt es nur, wenn die Sozialstation ihren Sitz vor Ort hat. Eine völlig unzeitgemäße Vorgabe, zumal die Region ja in vielen anderen Punkten eine gute Zusammenarbeit pflegt. Städte und Landkreis sollten ihre Fördermodalitäten überdenken und die Weichen für ein interkommunales Modell stellen, das die Sozialstationen für sich ja bereits erfolgreich verwirklicht haben.
Einen Standort gibt es ebenfalls, von dem aus beide Einsatzbereiche gleichermaßen gut zu erreichen sind. Wenn die Sparkasse ihre Filiale in Friedberg-West schließt, ist dies zusammen mit den benachbarten Flächen im Eigentum der Stadt Friedberg eine Option, die nähere Prüfung lohnt.
Aichach-Friedberg Rund 1150 Menschen im Wittelsbacher Land werden derzeit gepflegt – vor der Jahrtausendwende waren es fast genauso viele. Dennoch hat sich etwas Entscheidendes geändert. 1999 wurden die Hälfte dieser Senioren zu Hause gepflegt – von Angehörigen oder Diensten. Heute leben 765 Senioren in einem Pflegeheim und nur noch 380 wohnen mit Unterstützung ihrer Familie und Pflegediensten in ihren eigenen vier Wänden.
Dies liegt laut Alf Neumeier, Altenhilfereferent des Landkreises, nicht nur an den veränderten Familienstrukturen, sondern auch an der Pflegeversicherung. Die stationären Angebote seien eher gestärkt worden und die ambulanten geschwächt. Aber jetzt dreht der Gesetzgeber das Rad zurück. Mit dem Pflegestärkungsgesetz, das im Januar in Kraft tritt, sollen vor allem die Angehörigen von Pflegebedürftigen, speziell Demenzkranke, besser unterstützt werden. Gleichzeitig wird bei den Heimkosten gekürzt. Wenn in Zukunft wieder mehr pflegebedürftige Menschen ihren Lebensabend zu Hause verbringen, dann steigt der Bedarf an Pflegehilfen. Denn was pflegende Angehörige wirklich brauchen und die häusliche Pflege wirklich stärke, sei die Entlastung für einige Stunden, so Neumeier vor Kurzem im Kreistag. Und hier kommt die Kreispolitik beim neuen Bundesgesetz ins Spiel. Die Kreisverwaltung prüft jetzt, ob im Landratsamt eine Koordinierungsstelle für die Vermittlung solcher Pflegehilfen geschaffen werden soll. In einigen Landkreisen der Region wie in Dachau oder Augsburg sind bereits solche Hilfsnetze entstanden. Konkret geht es dabei nicht um die Arbeit der klassischen Pflegedienste von der Körperpflege bis zur medizinnahen Versorgung, sondern um Hilfe im Haushalt, bei Krankheit oder Terminen der Angehörigen oder beispielsweise auch ums Einkaufen. Solche „niederschwelligen Hilfen“werden jetzt schon von Pflegediensten angeboten. Im Landkreis sind es derzeit aber nur 5500 Stunden im Jahr. In anderen Landkreisen dagegen drei- oder viermal so viele. Neumeier kann das auch erklären: „Ob ich die Hilfe für neun oder 19 Euro einkaufe, macht natürlich schon einen Unterschied für die Angehörigen.“Das ist auch der Knackpunkt. Das Hilfssystem setzt auf ein Netz mit geringfügig Beschäftigen, die möglichst auf alle Gemeinden im Kreis verteilt sein sollen. Sie sollen in 40 Stunden ausgebildet werden und stundenweise kurzfristig bei betroffenen Familien einspringen.
Im Kreistag gab es nicht nur Zustimmung zu der Idee. Zum einen, weil der Staat damit geringfügige Beschäftigung zum Mindestlohn fördere. Zum anderen, weil die Kurzzeitpflege unterfinanziert sei. Die Folgen sind vor Ort sicht- und spürbar: Im Landkreis haben die Stationen in Friedberg und zuletzt in Aichach geschlossen. Im nördlichen Kreis gibt es derzeit nur noch die Kurzzeitpflege in Pöttmes. Aber gerade dieses Angebot der Kurzzeitpflege habe doch die Angehörigen spürbar im Alltag entlastet, kritisierte unter anderem der Aichacher Bürgermeister Klaus Habermann.
Die Koordinatorenstelle für die Pflegehilfen würde vom Staat finanziert. Der Kreistag muss im Herbst entscheiden, ob die Stelle im Landrastamt geschaffen wird oder ein externer Träger diese Aufgabe übernimmt. Für den Kreis spricht die Neutralität auf dem Pflegemarkt und die Verzahnung mit der Seniorenberatung.