Der Bierdeckel – beschlagnahmt
Am 21. August 1916 hat der Rohstoffmangel, mit dem Europa während des Ersten Weltkriegs zu kämpfen hatte, eine neue Stufe erreicht. An diesem Tag beginnen in Österreich zivile Behörden, den Metallmangel in der Rüstungsindustrie durch die Beschlagnahmung von privaten Metallgegenständen auszugleichen.
Kerzenleuchter, Mörser, Bügeleisen, Kupferkessel, Badeöfen – alles soll eingeschmolzen werden. Und es kommt noch mehr: In Wien wird überlegt, ob nicht auch Türklinken eingesammelt werden könnten. Davon könnten die Behörden etliche Millionen bekommen. Bedenken gibt es aber schon noch – vor allem in Bezug darauf, ob dann die Sicherheit der Bevölkerung noch gewährleistet ist.
Im Deutschen Reich sind die Überlegungen ähnlich skurril. Hier denkt die Metallmobilmachungsstelle darüber nach, alle aus Zinn bestehenden Deckel von Bierkrügen – einschließlich der Scharniere versteht sich – einzusammeln.
Für den Krieg selbst sind derartige Sammelaktionen durchaus entscheidend, schließlich finden im Ersten Weltkrieg regelrechte Materialschlachten statt – und Deutschland war als Importland nach Kriegsbeginn schlechter gestellt als andere. Für die Produktion von Waffen war Metall entscheidend. Gold – in Form von Ringen oder Münzen – wurde vor allem eingesammelt, um den Krieg zu finanzieren.
Im Januar 1917 ergeht dann an Gastwirtschaften und Privathaushalte die offizielle Anordnung, Bierkrüge oder deren Deckel aus Zinn abzuliefern. Aus der Bevölkerung gibt es auch Versuche, sich dem zur Wehr zu setzen.
Schließlich kommt es auch zur Einschmelzung von Kirchenglocken (sofern sie keinen hohen historischen Wert hatten), Metallzäunen und Kupferzäunen. Spätestens diese Maßnahme zeigt, wie sehr Deutschland in Sachen Rohstoffmangel seinen Gegnern unterlegen ist.