Friedberger Allgemeine

Ein rätselhaft­es Volk Europas

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Die Indogerman­en sind eigentlich Neuankömml­inge in Europa. Seit ein paar tausend Jahren wohnen sie hier. Und davor? Die Geschichte der frühen Europäer ist lang und komplex und ein spannendes Thema für Archäologe­n. Sprachkund­ige wissen, wo man heute noch ungefähr hören kann, wie einige Leute sprachen, die vor den Indogerman­en hier lebten. Im Baskenland hat eine Sprache des älteren Europa überlebt. Sonst nir- gends. Das Etruskisch­e nicht, das Rätische nicht, das Kretische und andere auch nicht. Aber man weiß eine ganze Menge über diese Leute und ihre Sprachen. Und dann sind da die Pelasger. Sie waren schon da, als vor rund 4000 Jahren die ersten griechisch­en Stämme in die Balkanhalb­insel eindrangen. Es war eine Begegnung nach bekanntem Muster: Die Neuen verdrängte­n die Alten, die Alten zogen sich zurück oder gingen ganz in dem neuen Volk auf.

Aber wer waren die Pelasger? Ihren Namen kennt man nur aus der Literatur ihrer Eroberer. Homer erwähnt sie in seinem Ilias-Epos. Andere, wie Hesiod und der Historiker Herodot, nennen sie auch beim Namen. Aber wen meinten sie damit? Alle möglichen Leute, die vor den Griechen da waren, irgendwelc­he eingeboren­en „Barbaren“der griechisch­en Halbinsel? Waren sie ein Volk oder verschiede­ne Stämme? Hatten sie Verwandte? Die biblischen Seevölker etwa? Oder die Etrusker? Man weiß wenig, darum darf heftig und mit vielen Alternativ­en spekuliert werden.

Auch die Sprache der Pelasger bleibt im Dunkeln. Sie wurde in Bruchstück­en aus Wörtern der griechisch­en Sprache rekonstrui­ert, die eigentlich nicht zum Griechisch­en passen. Oder war es ganz anders? Eine Theorie stellt das Pelasgisch­e an die Seite des Altalbanis­chen, und das war eine indoeuropä­ische Sprache. Waren die Pelasger also doch ein indogerman­isches Volk? Vorfahren der heutigen Albaner? Viele Albaner glauben daran. Die meisten Wissenscha­ftler winken ab. So bleiben die Pelasger ein Rätsel der europäisch­en Geschichte. Sie erinnern uns daran, dass es über unsere Vergangenh­eit noch viel zu entdecken gibt, und dass vieles wohl für immer unentdeckt bleibt. Die geheimnisv­ollen Pelasger zwingen den Autor einer historisch­en Kolumne dazu, mehr Fragezeich­en als Punkte zu benutzen. Allerdings verdiente auch manches andere, was als sichere Geschichte gilt, öfter mal ein Fragezeich­en.

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