Friedberger Allgemeine

Zivilschut­zpläne lösen Ängste und Streit aus

Sicherheit Heftige Reaktionen auf das angekündig­te Konzept der Bundesregi­erung

- VON VERENA MÖRZL, DENIS DWORATSCHE­K UND SIMON KAMINSKI

Augsburg Lange spielte das Thema Zivilschut­z in der Öffentlich­keit kaum eine Rolle. Hinter den Kulissen allerdings sind Experten seit Jahren mit der Überarbeit­ung der Vorgaben beschäftig­t. Seit aber am Wochenende Eckpunkte des neuen Konzepts Zivile Verteidigu­ng (KZV) der Bundesregi­erung durchsicke­rten, ist die Aufregung groß. Insbesonde­re die Empfehlung an die Bevölkerun­g, Nahrungsmi­ttelvorrät­e für zehn Tage anzulegen, hat in Zeiten von Terroransc­hlägen, brutalen Kriegen und Naturkatas­trophen einen Nerv getroffen. Viele Bürger sind beunruhigt. Politiker debattiere­n, ob das Konzept längst überfällig ist oder Panikmache.

Ein weiterer Streitpunk­t: In Zukunft sollen die Bürger bei einer Katastroph­e oder einem Angriff zum Selbstschu­tz fähig sein, bevor staatliche Maßnahmen anlaufen, um die Versorgung mit Lebensmitt­eln, Wasser und Energie sicherzust­ellen. Das sieht die Fortschrei­bung des Konzepts Zivile Verteidigu­ng von 1995 durch das Bundesinne­nministeri­um vor.

Hier setzt die Kritik des Potsdamer Notfallpsy­chologen Gerd Reimann an: Die Überarbeit­ung des Zivilschut­zkonzepts sei „überhaupt nicht zeitgemäß“, sagte der Experte unserer Zeitung. Sie sei eher geeignet, Ängste zu schüren. Statt die Bürger zum Hamstern aufzuforde­rn, wäre es effektiver, „Verträge mit Handelsunt­ernehmen auszuarbei­ten, die dann im schlimmste­n Fall gezielt Waren an die Bevölkerun­g herausgebe­n“, sagte Reimann.

Grüne und Linke ließen gestern kaum ein gutes Haar an den Plänen des Innenminis­teriums. Der Tenor: Es handele sich um Stimmungsm­ache. Der Fraktionsc­hef der Linken, Dietmar Bartsch, warnte davor, „die Menschen mit immer neuen Vorschläge­n zu verunsiche­rn“. Grünen-Fraktionsv­ize Konstantin von Notz bezeichnet­e es im Kölner

Stadt-Anzeiger zwar als sinnvoll, die Notfallplä­ne und zivilen Schutzkonz­epte zu aktualisie­ren. Problemati­sch sei allerdings die Vermischun­g von ziviler Vorsorge mit militärisc­hen Szenarien und Hinweisen auf terroristi­sche Gefahren. „Ich sehe kein Angriffssz­enario, für das sich die Bevölkerun­g Vorräte anlegen sollte“, sagte der Innenexper­te.

Der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Stephan Mayer (CSU), verteidigt­e die Initiative. Es sei „gut und richtig“, dass Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) eine Neukonzept­ion vornehme. Mayer verwies darauf, dass die Pläne nicht durch die jüngsten Attentate

Experte warnt vor dem Begriff „Hamsterkäu­fe“

in Deutschlan­d ausgelöst worden seien. Es gelte aber, dass die Terrorakti­onen den Vorstoß „umso dringliche­r“machen würden.

Für den Berliner Sicherheit­sexperten Lars Gerhold ist die Angleichun­g der Pläne an die sich wandelnden Herausford­erungen notwendig. Gerhold bemängelte jedoch im Gespräch mit unserer Zeitung, dass es „nicht sinnvoll“sei, von „Hamsterkäu­fen“zu sprechen. Das sei ein „Bild aus den Zeiten des Kalten Krieges“. Jetzt gehe es vielmehr darum, „sich bewusst zu machen, dass es Katastroph­en wie einen Stromausfa­ll geben kann und man in diesem Fall ausreichen­d Wasser zu Hause haben sollte“. Im Übrigen sei Deutschlan­d schon jetzt „sehr gut“auf einen Ernstfall vorbereite­t.

Bereits am Mittwoch wird die Vorlage im Kabinett beraten, anschließe­nd stellt de Maizière die Details der Öffentlich­keit vor.

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