Zivilschutzpläne lösen Ängste und Streit aus
Sicherheit Heftige Reaktionen auf das angekündigte Konzept der Bundesregierung
Augsburg Lange spielte das Thema Zivilschutz in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle. Hinter den Kulissen allerdings sind Experten seit Jahren mit der Überarbeitung der Vorgaben beschäftigt. Seit aber am Wochenende Eckpunkte des neuen Konzepts Zivile Verteidigung (KZV) der Bundesregierung durchsickerten, ist die Aufregung groß. Insbesondere die Empfehlung an die Bevölkerung, Nahrungsmittelvorräte für zehn Tage anzulegen, hat in Zeiten von Terroranschlägen, brutalen Kriegen und Naturkatastrophen einen Nerv getroffen. Viele Bürger sind beunruhigt. Politiker debattieren, ob das Konzept längst überfällig ist oder Panikmache.
Ein weiterer Streitpunkt: In Zukunft sollen die Bürger bei einer Katastrophe oder einem Angriff zum Selbstschutz fähig sein, bevor staatliche Maßnahmen anlaufen, um die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Energie sicherzustellen. Das sieht die Fortschreibung des Konzepts Zivile Verteidigung von 1995 durch das Bundesinnenministerium vor.
Hier setzt die Kritik des Potsdamer Notfallpsychologen Gerd Reimann an: Die Überarbeitung des Zivilschutzkonzepts sei „überhaupt nicht zeitgemäß“, sagte der Experte unserer Zeitung. Sie sei eher geeignet, Ängste zu schüren. Statt die Bürger zum Hamstern aufzufordern, wäre es effektiver, „Verträge mit Handelsunternehmen auszuarbeiten, die dann im schlimmsten Fall gezielt Waren an die Bevölkerung herausgeben“, sagte Reimann.
Grüne und Linke ließen gestern kaum ein gutes Haar an den Plänen des Innenministeriums. Der Tenor: Es handele sich um Stimmungsmache. Der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, warnte davor, „die Menschen mit immer neuen Vorschlägen zu verunsichern“. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz bezeichnete es im Kölner
Stadt-Anzeiger zwar als sinnvoll, die Notfallpläne und zivilen Schutzkonzepte zu aktualisieren. Problematisch sei allerdings die Vermischung von ziviler Vorsorge mit militärischen Szenarien und Hinweisen auf terroristische Gefahren. „Ich sehe kein Angriffsszenario, für das sich die Bevölkerung Vorräte anlegen sollte“, sagte der Innenexperte.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), verteidigte die Initiative. Es sei „gut und richtig“, dass Innenminister Thomas de Maizière (CDU) eine Neukonzeption vornehme. Mayer verwies darauf, dass die Pläne nicht durch die jüngsten Attentate
Experte warnt vor dem Begriff „Hamsterkäufe“
in Deutschland ausgelöst worden seien. Es gelte aber, dass die Terroraktionen den Vorstoß „umso dringlicher“machen würden.
Für den Berliner Sicherheitsexperten Lars Gerhold ist die Angleichung der Pläne an die sich wandelnden Herausforderungen notwendig. Gerhold bemängelte jedoch im Gespräch mit unserer Zeitung, dass es „nicht sinnvoll“sei, von „Hamsterkäufen“zu sprechen. Das sei ein „Bild aus den Zeiten des Kalten Krieges“. Jetzt gehe es vielmehr darum, „sich bewusst zu machen, dass es Katastrophen wie einen Stromausfall geben kann und man in diesem Fall ausreichend Wasser zu Hause haben sollte“. Im Übrigen sei Deutschland schon jetzt „sehr gut“auf einen Ernstfall vorbereitet.
Bereits am Mittwoch wird die Vorlage im Kabinett beraten, anschließend stellt de Maizière die Details der Öffentlichkeit vor.