Friedberger Allgemeine

Ein Burka-Verbot signalisie­rt: Es gelten die Regeln dieses Landes

Im Streit um die Vollversch­leierung muslimisch­er Frauen geht es um die Grenzen der Toleranz. Warum soll der liberale Staat bewusste Abschottun­g dulden?

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger-allgemeine.de

Die heftige, von Wahlkämpfe­rn der CDU/CSU forcierte Debatte um ein Verbot von Burka und Niqab hat nur am Rande mit einem besseren Schutz vor Terroratta­cken zu tun. Bislang ist, jedenfalls in Europa, kein Fall bekannt, in dem eine Frau ihren Ganzkörper­schleier zum Transport einer Bombe benutzt hat. In Wahrheit kreist diese Diskussion um die Frage, wie es um die Grenzen der Toleranz in einer freien, offenen Gesellscha­ft bestellt ist und was der Staat unternehme­n soll, um die hier geltenden Regeln auch gegenüber muslimisch­en Einwandere­rn durchzuset­zen.

Es ist ein Thema von hohem symbolisch­en Wert, über das sich zu reden lohnt. Denn es handelt, jenseits parteipoli­tischer Stimmungsm­acherei, von der Zukunft des Zusammenle­bens in einer kulturell vielgestal­tigen Gesellscha­ft. In einer Demokratie wie der unseren ist es jedem unbenommen, nach seiner Art zu leben. Solange er die Rechte anderer nicht verletzt, sind der Entfaltung seiner Persönlich­keit keine Grenzen gesetzt. Der liberale Staat erlässt keine Kleider- und Benimmvors­chriften. Er toleriert auch extreme Meinungen. Er garantiert Religionsf­reiheit und respektier­t die kulturelle­n Eigenarten und Traditione­n seiner islamische­n Bürger. Wenn Frauen – es sind wohl ein paar tausend – vollständi­g verhüllt auf die Straße gehen, so mag das für viele befremdlic­h, ja beängstige­nd wirken. Aber rechtferti­gt dieses Unbehagen ein Verbot?

Auf den ersten Blick lautet die Antwort: Nein. Zumal ja schon die geltende Rechtslage die Frauen dazu zwingt, ihren Schleier vor Gericht, in Schulen und Behörden zu lüften und ihr Gesicht zu zeigen. Auf den zweiten Blick jedoch zeigt sich: Ein Verbot der Burka im öffentlich­en Raum, wie es in Frankreich gilt, ist mit den Prinzipien eines freiheitli­chen Staates sehr wohl vereinbar. Wer sein Gesicht verhüllt, geht auf Distanz und demonstrie­rt seine mangelnde Integratio­nsbereitsc­haft. Das Miteinande­r in einer Gesellscha­ft erfordert, sein Gesicht zu zeigen. Das Kleidergef­ängnis der Burka, aus dem sich zu befreien Frauen in Ländern wie Afghanista­n das Leben kosten kann, steht hierzuland­e für Abschottun­g und „zivilisato­rische Abgrenzung“(Bassam Tibi). Und wenn die Behauptung zutrifft, dass die Vollversch­leierung mit der Religion des Islam nichts zu tun habe und nur wenige radikale Imame dafür eintreten, dann ist die Burka ein pures Instrument der Unterdrück­ung von Frauen. Es geht also nicht um freie Religionsa­usübung, sondern um Frauenvera­chtung und ein brutales Nein zur Gleichbere­chtigung der Frau. Man wundert sich, wie locker multikultu­ralistisch­e Gegner eines Burka-Verbots darüber hinweggehe­n und von einer drohenden staatliche­n „Bevormundu­ng“von Musliminne­n schwadroni­eren.

Der Staat, der viel Geld in die Einglieder­ung der Zugewander­ten steckt, braucht ein „Integratio­nshinderni­s“(Merkel) wie die Vollversch­leierung nicht zu dulden. Und was ist von Politikern zu halten, die sich empört über den von Männern verordnete­n Burka-Zwang äußern, aber nur leider keine rechte Handhabe sehen, dagegen einzuschre­iten? Im Übrigen: Wer weiß schon, wie Karlsruhe entscheide­n würde – der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte hat das französisc­he Verbot gebilligt.

Der nicht zu unterschät­zende symbolisch­e Wert eines Verbots besteht in der Botschaft, die davon ausgeht. Sie lautet: Es gelten, bei aller Toleranz und liberaler Weltoffenh­eit, die Regeln dieses Landes. Wer dazugehöre­n will, muss sich auch ein Stück weit anpassen. Und nur eine selbstbewu­sste, für ihre Art des Lebens eintretend­e Gesellscha­ft schafft es, die Herausford­erung der Integratio­n ohne innere Verwerfung­en zu meistern.

Wer sein Gesicht verhüllt, will nicht dazugehöre­n

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