Für den Fall einer Katastrophe
Was bedeutet das neue Notfallkonzept der Regierung für die Bürger? Der Aufruf der Bundesregierung, sich mit Vorräten für zwei Wochen einzudecken, irritiert viele. Dabei gibt es schon jetzt konkrete Empfehlungen, was jeder zu Hause haben sollte
Augsburg Als an jenem Freitagmorgen pünktlich zum ersten Adventswochenende der Schnee über das Münsterland fiel, dachte niemand der betroffenen 250000 Menschen, dass dies der Beginn einer Katastrophe war. Doch am Nachmittag fiel im nördlichen Umkreis der Universitätsstadt in mehr als zwei Dutzend Gemeinden der Strom aus. Nicht für Stunden, sondern für bis zu fünf Tage. Schnee und Eisregen hingen tonnenschwer an den Überlandleitungen. Als der Wind des Sturmtiefs Thorsten dazukam, knickten die Strommasten reihenweise um. Der große Blackout vom 25. November 2005 ist eines der Krisenszenarios, die in das neue Notfallkonzept der Bundesregierung eingeflossen sind.
Der Plan, den das Bundeskabinett am Mittwoch beschließen will, löst schon jetzt Irritationen aus. Vor allem, nachdem durchsickerte, dass die Regierung den Bürgern empfehlen will, Lebensmittelvorräte für Notfälle anzulegen. Doch diese Empfehlung ist alles andere als neu. Sie besteht bereits seit Jahrzehnten: Zuletzt veröffentlichte das Bundes- amt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2013 eine Checkliste und einen detaillierten Ratgeber für den Vorratsschrank.
Zugleich befragten die Katastrophenschützer in einer großen Studie über 2000 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger, wie sie gegen Krisensituationen gewappnet sind. Die Ergebnisse ernüchterten die Experten: Fast 20 Prozent der Befragten haben gar keinen Lebensmittelvorrat. Nur 28 Prozent könnten sich zwei Wochen lang von heimischen Vorräten ernähren, jeder vierte Haushalt immerhin eine Woche.
Bedenklicher aus Sicht der Experten ist, dass nur jeder zweite Haushalt einen Vorrat an nicht alkoholischen Getränken oder Trinkwasser hat, der länger als zwei Tage ausreichen würde. Bei den Befragten unter 35 Jahren waren es sogar nur knapp zehn Prozent. „Viele glauben, es sei immer alles verfügbar – das ist erschreckend“, warnte der Chef des Bundeskatastrophenschutzamts, Christoph Unger, damals. Deutschland sei vor Versorgungsengpässen bei Schneechaos oder Stromausfällen nicht gefeit.
Der Katastrophenforscher Lars Gerhold hält den Aufruf zur Vorsor- ge für gerechtfertigt: „Einzig über die Menge der Lebensmittel kann man streiten“, sagt der Berliner Professor. Ein Vorrat von drei bis vier Tagen reiche im Grunde aus. „Beim Wasser sollte man großzügig vorsorgen, denn auf Essen kann man ein paar Tage verzichten.“
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz empfiehlt bereits seit langem einen Vorrat mit dem Ziel, „14 Tage ohne Einkaufen überstehen zu können“. Pro Person sind das laut Empfehlung 28 Liter Wasser und Getränke, wobei die Hälfte zum Kochen dienen solle.
Zum Essen in Notzeiten empfiehlt das Amt als Grundvorrat pro Person rund fünf Kilogramm an Produkten wie Kartoffeln, Nudeln, Reis oder Vollkorn- und Knäckebrot. Auf den von den Beamten akkurat verfassten Empfehlungslisten stehen allerhand Konserven in Dosen und Gläsern: 5,6 Kilogramm Gemüse, 2,1 Kilo Wurst- und Fleischwaren, 3,6 Kilo Obst sowie eine Flasche Öl und drei Tüten Milch. Allerdings mahnt der offizielle 68 Seiten starke Katastrophenschutz-Ratgeber in offiziösem Ton: „Keine Experimente! Halten Sie vor allem Lebensmittel und Getränke vorrätig, die Sie und Ihre Familie auch normalerweise nutzen.“
Die meisten Tipps klingen für den Normalbürger ohnehin sehr naheliegend. Etwa ausreichend Toilettenpapier im Haus zu haben, ebenso Kerzen und Teelichter. Auch raten die Notfallexperten zum vorsorglichen Kauf eines Campingkochers für den Fall eines längeren Stromausfalls und warnen fürsorglich davor, den Kohlegrill in die Wohnung zu holen („Erstickungsgefahr!“).
Es finden sich in den Hinweisen aber auch durchaus Anregungen, die in Vergessenheit geraten sind: etwa ein batteriebetriebenes Radio im Haus zu haben, da ein Stromausfall auch Internet, Handy-Mobilfunknetze und das Fernsehen treffen kann. Da das Radio das Hauptwarnmittel bleibe, empfehlen die Experten, um ganz sicher zu gehen, ein „Kurbelradio“: Der Strom dafür wird wie beim Fahrraddynamo mit Muskelkraft erzeugt. Moderne Geräte laden sogar den Handyakku auf und dienen als Taschenlampe.
Die Beamten empfehlen eine akkurate Einkaufsliste