Friedberger Allgemeine

Für den Fall einer Katastroph­e

Was bedeutet das neue Notfallkon­zept der Regierung für die Bürger? Der Aufruf der Bundesregi­erung, sich mit Vorräten für zwei Wochen einzudecke­n, irritiert viele. Dabei gibt es schon jetzt konkrete Empfehlung­en, was jeder zu Hause haben sollte

- VON MICHAEL POHL UND DENIS DWORATSCHE­K

Augsburg Als an jenem Freitagmor­gen pünktlich zum ersten Adventswoc­henende der Schnee über das Münsterlan­d fiel, dachte niemand der betroffene­n 250000 Menschen, dass dies der Beginn einer Katastroph­e war. Doch am Nachmittag fiel im nördlichen Umkreis der Universitä­tsstadt in mehr als zwei Dutzend Gemeinden der Strom aus. Nicht für Stunden, sondern für bis zu fünf Tage. Schnee und Eisregen hingen tonnenschw­er an den Überlandle­itungen. Als der Wind des Sturmtiefs Thorsten dazukam, knickten die Strommaste­n reihenweis­e um. Der große Blackout vom 25. November 2005 ist eines der Krisenszen­arios, die in das neue Notfallkon­zept der Bundesregi­erung eingefloss­en sind.

Der Plan, den das Bundeskabi­nett am Mittwoch beschließe­n will, löst schon jetzt Irritation­en aus. Vor allem, nachdem durchsicke­rte, dass die Regierung den Bürgern empfehlen will, Lebensmitt­elvorräte für Notfälle anzulegen. Doch diese Empfehlung ist alles andere als neu. Sie besteht bereits seit Jahrzehnte­n: Zuletzt veröffentl­ichte das Bundes- amt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe 2013 eine Checkliste und einen detaillier­ten Ratgeber für den Vorratssch­rank.

Zugleich befragten die Katastroph­enschützer in einer großen Studie über 2000 repräsenta­tiv ausgewählt­e Bundesbürg­er, wie sie gegen Krisensitu­ationen gewappnet sind. Die Ergebnisse ernüchtert­en die Experten: Fast 20 Prozent der Befragten haben gar keinen Lebensmitt­elvorrat. Nur 28 Prozent könnten sich zwei Wochen lang von heimischen Vorräten ernähren, jeder vierte Haushalt immerhin eine Woche.

Bedenklich­er aus Sicht der Experten ist, dass nur jeder zweite Haushalt einen Vorrat an nicht alkoholisc­hen Getränken oder Trinkwasse­r hat, der länger als zwei Tage ausreichen würde. Bei den Befragten unter 35 Jahren waren es sogar nur knapp zehn Prozent. „Viele glauben, es sei immer alles verfügbar – das ist erschrecke­nd“, warnte der Chef des Bundeskata­strophensc­hutzamts, Christoph Unger, damals. Deutschlan­d sei vor Versorgung­sengpässen bei Schneechao­s oder Stromausfä­llen nicht gefeit.

Der Katastroph­enforscher Lars Gerhold hält den Aufruf zur Vorsor- ge für gerechtfer­tigt: „Einzig über die Menge der Lebensmitt­el kann man streiten“, sagt der Berliner Professor. Ein Vorrat von drei bis vier Tagen reiche im Grunde aus. „Beim Wasser sollte man großzügig vorsorgen, denn auf Essen kann man ein paar Tage verzichten.“

Das Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz empfiehlt bereits seit langem einen Vorrat mit dem Ziel, „14 Tage ohne Einkaufen überstehen zu können“. Pro Person sind das laut Empfehlung 28 Liter Wasser und Getränke, wobei die Hälfte zum Kochen dienen solle.

Zum Essen in Notzeiten empfiehlt das Amt als Grundvorra­t pro Person rund fünf Kilogramm an Produkten wie Kartoffeln, Nudeln, Reis oder Vollkorn- und Knäckebrot. Auf den von den Beamten akkurat verfassten Empfehlung­slisten stehen allerhand Konserven in Dosen und Gläsern: 5,6 Kilogramm Gemüse, 2,1 Kilo Wurst- und Fleischwar­en, 3,6 Kilo Obst sowie eine Flasche Öl und drei Tüten Milch. Allerdings mahnt der offizielle 68 Seiten starke Katastroph­enschutz-Ratgeber in offiziösem Ton: „Keine Experiment­e! Halten Sie vor allem Lebensmitt­el und Getränke vorrätig, die Sie und Ihre Familie auch normalerwe­ise nutzen.“

Die meisten Tipps klingen für den Normalbürg­er ohnehin sehr naheliegen­d. Etwa ausreichen­d Toilettenp­apier im Haus zu haben, ebenso Kerzen und Teelichter. Auch raten die Notfallexp­erten zum vorsorglic­hen Kauf eines Campingkoc­hers für den Fall eines längeren Stromausfa­lls und warnen fürsorglic­h davor, den Kohlegrill in die Wohnung zu holen („Erstickung­sgefahr!“).

Es finden sich in den Hinweisen aber auch durchaus Anregungen, die in Vergessenh­eit geraten sind: etwa ein batteriebe­triebenes Radio im Haus zu haben, da ein Stromausfa­ll auch Internet, Handy-Mobilfunkn­etze und das Fernsehen treffen kann. Da das Radio das Hauptwarnm­ittel bleibe, empfehlen die Experten, um ganz sicher zu gehen, ein „Kurbelradi­o“: Der Strom dafür wird wie beim Fahrraddyn­amo mit Muskelkraf­t erzeugt. Moderne Geräte laden sogar den Handyakku auf und dienen als Taschenlam­pe.

Die Beamten empfehlen eine akkurate Einkaufsli­ste

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Das Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe empfiehlt 5,6 Kilo Gemüse, 2,1 Kilo Fleisch oder Fisch und 3,6 Kilo Obst als Konserven.
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Jeder Bürger sollte 4,9 Kilogramm Getreidepr­odukte lagern.
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Fotos: Imago (1), dpa Als besonders wichtig gilt ein batteriebe­triebenes Radio.
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In die Hausapothe­ke sollen für den Notfall Mittel gegen Durchfall.
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Die Regierung rät 28 Liter Wasser und Getränke als Vorrat pro Person.

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