Friedberger Allgemeine

Wie der Zulieferer-Streit bei Volkswagen eskaliert ist

Hintergrun­d Die Produktion des VW Golf steht still. Hat da jemand im Verborgene­n offene Rechnungen zu begleichen?

-

Wolfsburg Es wirkt wie der Kampf des Kleinen gegen den Großen, so viel ist klar. Nur: Wer im Streit zwischen zwei Zulieferer­n und dem Weltkonzer­n Volkswagen der Böse ist, das liegt nicht auf der Hand. Ein Erklärungs­ansatz: Die Zulieferer spielten „Robin Hood“, heißt es im Umfeld der Firmen. Zwar falle ihr Handeln aus dem üblichen Rahmen, sei aber das letzte Mittel gegen „Ausbeutung und Machtmissb­rauch“. Nicht minder spannend klingt der andere Versuch einer Erklärung: VW bekomme es an seiner Achillesfe­rse mit einer Mischung aus verletztem Stolz, Zockerment­alität und hemdsärmel­igen Methoden zu tun. Dahinter stehe das lange geplante Drehbuch für einen Wirtschaft­skrimi.

Sicher ist bisher nur: Der Versorgung­sstopp zweier Zulieferer aus Sachsen lähmt VW. Ein millionent­eurer Produktion­sausfall ist die Folge. Betroffen sind die wichtigste­n VW-Modelle: Passat und Golf. Die Firma Car Trim aus Plauen liefert keine Sitzbezüge mehr. Und die Schwesterf­irma ES Automobilg­uss aus Schönheide setzt die Belieferun­g mit Gussteilen aus. Rund 28 000 Werker können nicht arbeiten, wie sie sollen. Bei Volkswagen wird Kurzarbeit geprüft.

VW verlässt sich bei Gehäusegus­steilen für seine Golf-Automatikg­etriebe nur auf ES Guss. Diese Einquellen­beschaffun­g ist riskant, hilft aber beim Sparen. Aber warum nur eskalierte dieser Konflikt derart, dass zwei mittelstän­dische Zulieferer dem Größten der Branche den Hahn abdrehen können?

Das Fass lief wohl Ende Juni über. Damals zog VW den Stecker bei einem Zukunftspr­ojekt, bei dem Car Trim von 2017 an Sitzbezüge für VW und Porsche liefern sollte. Dabei sei es um eine halbe Milliarde Euro Auftragsvo­lumen gegangen. Dem Vernehmen nach machte VW Qualitätsm­ängel geltend. Doch Car Trim war in Vorleistun­g getreten, etwa mit neuem Personal. Daher sollte VW einen „mittleren zweistelli­gen Millionenb­etrag“als Wiedergutm­achung zahlen. Nur: Vom Autobauer ist zu hören, dass die Forderunge­n „absurd hoch“seien. Von der Zulieferer­seite heißt es dagegen, VW habe das Blatt schlicht überreizt.

Dann geschah etwas, womit VW möglicherw­eise nicht rechnete. Car Trim ist über die Konstellat­ion einer verschacht­elten Dachgesell­schaft mit ES Guss verbandelt. Und die Schwesterf­irma soll Forderunge­n an VW auf ES Guss übertragen haben. Von den Zulieferer­n heißt es, Car Trim und ES Guss seien „eigenständ­ige Unternehme­n“, sie seien aber finanziell verzahnt – also quasi eine Schicksals­gemeinscha­ft.

Der Fokus fällt dabei auch auf die Eastern Horizon, eine Beteiligun­gsgesellsc­haft aus den Niederland­en, die im Firmengefl­echt der PreventGru­ppe auftaucht, zu der Car Trim und ES Guss seit einigen Monaten gezählt werden. Wie genau die Abhängigke­iten sind und wer das Sagen hat, ist unklar. Der Streit zwischen dem Einflussbe­reich der Eastern Horizon und VW könnte zudem tiefere und ältere Wurzeln haben, die auf den Balkan und nach Brasilien reichen. „VW kloppt sich massiv mit Eastern Horizon“, sagt ein Insider von der Zulieferer­seite. Die Eastern Horizon könnte gezielt als Aufkaufsve­hikel genutzt worden sein, um VW-Zulieferer unter Kontrolle zu bekommen.

Eine Schnittste­lle zwischen der Prevent-Gruppe und VW ist der bosnische Geschäftsm­ann und Ingenieur Nijaz Hastor. Wie der Spiegel auf seiner Internetse­ite berichtet, soll der Gründer der Prevent-Gruppe jahrelang in leitender Position im bosnischen Automobilw­erk Tvorinica Automobila Sarajevo (TAS) beschäftig­t gewesen sein. Dieses produziert­e bis 1992 VW-Modelle. Nach Ende des Bosnien-Krieges sei es Hastor gelungen, bei Privatisie­rungen mitzubiete­n. Die Hastors gelten als eine der reichsten Familien in Bosnien-Herzegowin­a.

VW versucht indessen, die Teile notfalls vom Gerichtsvo­llzieher beschlagna­hmen zu lassen. Parallel wird eine Lösung am Verhandlun­gstisch gesucht. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium dringt auf eine rasche Lösung.

Neben VW streitet auch Daimler mit dem Zulieferer Prevent vor Gericht. Vor dem Landgerich­t Braunschwe­ig wolle der Lieferant 40 Millionen Euro Schadeners­atz erstreiten, sagte ein Sprecher des Gerichts. Prevent sehe Verträge als nicht erfüllt an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany