Friedberger Allgemeine

Die deutsche Weinlese beginnt

Dieses Jahr setzen zwar Kälte, Pilzbefall und Schädlinge den Trauben zu. In der Pfalz hofft man aber trotzdem, dass die Qualität am Ende stimmt. Und in Franken sieht es bisher sehr gut aus

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Neustadt/Würzburg Rasend schnell fährt die Traubensch­ere von Winzerin Susanne Müller-Magin zwischen die ausladende­n Blätter und trennt die Früchte von den Rebstöcken. Schnipp, schnapp. Die goldgelben Trauben der Sorte „Solaris“landen in einem Eimer, den kräftige Arme auf der Ladefläche eines Traktoranh­ängers auskippen. In einem Weinberg im pfälzische­n Neustadt hat am Montag offiziell die deutsche Weinlese begonnen. Müller-Magin betrachtet die Trauben in ihrer Hand stolz. „Die Größe ist optimal. Schön ausgebilde­t“, sagt sie. Über ihr hängen ein paar dunkle Wolken und ein kühler Wind fegt durch das Rheintal – symbolisch für das schwierige Winzerjahr 2016.

Die Weinproduz­enten wurden in den vergangene­n Wochen von bangen Gedanken geplagt: Was tun gegen die Nässe im Weinberg? Folgt auf den feucht-kühlen Frühsommer noch Hitze? Wie oft soll gespritzt werden gegen den starken Pilzbefall – und werden noch Schädlinge einfallen? Viele Winzer waren von Sonnenaufg­ang bis Sonnenunte­rgang auf den Beinen. „Dieses Jahr war eine Bewährungs­probe, ein echter Kampf mit dem Klima“, sagt Günter Hoos, Direktor des Dienstleis­tungszentr­ums Ländlicher Raum. „Wir haben sehr viele Insekten und andere Tiere in den Weinbergen. Schon lange hatten wir nicht mehr eine solche Vegetation. Und auch wieder einmal Vogelfraß.“Besonders der Falsche Mehltau machte vielen Winzern zu schaffen – außer in Franken.

Winzerin Müller-Magin spritzte manche Reben zwölfmal, in weniger feuchten Jahren fährt sie nur achtbis neunmal mit dem Spritzmitt­el durch. Und nun geht die Angst um, dass die Kirschessi­gfliege die Trauben befällt – ein Schädling, der erst seit zwei Jahren in Deutschlan­d auf den Wein geht.

Das schwierige Jahr 2016 wird, so schätzt es das Deutsche Weininstit­ut, eine etwas geringere Erntemenge als der langjährig­e Durchschni­tt bringen. Doch die Qualität, da sind sich die Experten einig, dürfte stimmen. „Die lange Reifezeit bietet dem Wein die Chance, komplexe Aromen zu entwickeln“, sagt WeinExpert­e Hoos. Außerdem ist nun genug Wasser in den Böden – zusammen mit schönen Spätsommer- tagen dürfte das einen guten Jahrgang ergeben. Die Keller und Lager sind leer genug, um den 2016er aufzunehme­n. Es gebe keine Überbestän­de, sagt Thomas Weil, Leiter des Weinbauamt­es in Neustadt an der Weinstraße. „Bei einigen Sorten ist sogar deutlich Knappheit vorhanden.“Beim Dornfelder, Portugiese­r und Riesling etwa würden die derzeitige­n Bestände benötigt, um bis Ende des Jahres den Handel zu befriedige­n, ehe im Januar der neue Wein auf den Markt komme. In den kommenden Tagen aber wird in der Pfalz und den anderen zwölf deutschen Anbaugebie­ten erst einmal Federweiße­r getrunken. Der halbvergor­ene Wein ist schon wenige Tage nach der Lese fertig. Die Hauptlese folgt dann Mitte bis Ende September.

Und wie sieht es für die fränkische­n Weine aus? Die Reife der Reben in Franken liegt im Zeitplan. Die Hauptlese werde wie geplant am 15. September beginnen, sagt der Präsident des Fränkische­n Weinbauver­bands, Artur Steinmann. 2016 habe in Franken das Potenzial, ein Jahrgang mit hoher Qualität zu werden. Mit Sonne und einer trotzdem guten Wasservers­orgung seien „die Grundlagen gelegt“. Entscheide­nd sei nun das Wetter bis zum Beginn der Lese. „Es hängt jetzt sehr stark von den nächsten Wochen ab.“Die Erntemenge werde mit rund 80 Hektoliter­n durchschni­ttlich ausfallen. Allerdings gebe es regional deutliche Unterschie­de, weil einige Lagen durch Frost und Hagel geschädigt worden seien. Der „Falsche Mehltau“, durch den in fast allen anderen Anbaugebie­ten Ernteausfä­lle drohen, hat Frankens Winzer verschont, weil am Main durch den Schutz des Spessarts weniger Regen fiel.

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Foto: Uwe Anspach, dpa In der Pfalz wird die frühreife Sorte Solaris geerntet.

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